Sporting Lissabon erstrahlt nicht mehr im Glanz seiner besten Tage. Aber zu favorisieren sind die Portugiesen gegen Basel zum Auftakt in der Europa League gleichwohl.
Reals spektakuläre Wende am ersten Spieltag der Champions League gegen Manchester City (3:2 nach einem 1:2-Rückstand) verfolgte Marco Streller im Wohnzimmer am TV. „Mit einem weinenden Auge.“ Die Hymne löste beim Captain des FCB Emotionen aus. Die Erinnerungen an die fabelhaften Abende gegen ManU durchfluteten Streller kurzzeitig, bis er auf den roten Knopf der Fernbedienung drückte.
Nach den bitteren Niederlagen gegen Cluj setzt Basel das internationale Programm auf einer zunächst weitaus weniger lukrativen Bühne fort. Auf ihrem Nebenschauplatz schüttet die UEFA nur einen Bruchteil der gigantischen CL-Prämien aus. Das Programm ist generell eine Nummer kleiner gehalten. Die Melodie des französischen Komponisten Yohann Zveig kommt für das Feld der gestürzten Champions und zweiten Abteilung erstklassiger Ligen auch ohne Text-Brimborium aus.
Die Bebbi haben sich inzwischen mit dem frühzeitigen Out aus dem Kreis der europäischen Elite abgefunden. Für sie ist die Europa League weit mehr als ein „Cup der Verlierer“ – wie Franz Beckenbauer den vormaligen UEFA-Cup einst in einem Anflug von Sarkasmus betitelt hatte. Präsident Bernhard Heusler beispielsweise stufte die Gruppenspiele gegen Sporting, Genk und Videoton in einem „BaZ“-Interview als „zusätzliches Geschenk ein, das man als Fussballfan geniessen muss“.
Kein Neuanfang
Auch die übrigen Exponenten wehrten sich gegen „Schlechtredner“. Keeper Yann Sommer sprach 24 Stunden vor dem Auftakt explizit von einer „tollen Gruppe mit tollen Teams“. Sporting, am Ende der letzten Saison in Portugal hinter dem FC Porto, Benfica und Braga nur noch die Nummer 4, verfüge über „Champions-League-Qualität“, betonte Coach Heiko Vogel und reichte quasi als Beleg weitere Ergebnisse seiner Beobachtungen nach: „Das Team ist gut bestückt. Auf nahezu jeder Position in der Offensive ist individuelle Klasse vorhanden.“
Dass Sporting mit nur zwei Punkten aus drei Partien enttäuschend zur Meisterschaft gestartet ist, berührt Vogel indes kaum: „Real ist auch suboptimal gestartet und hat am Dienstag Manchester besiegt.“ Ebenso wenig will er von einem Neuanfang in Lissabon wissen: „Die Saison beginnt ja hier kein zweites Mal. Aber klar, die Chance, einen positiven Akzent zu setzen, wollen wir ergreifen.“
Die Rollen sind offenbar klar verteilt – und kein Basler hat gegen die Aussenseiterrolle etwas einzuwenden. „Es ist in unserer aktuellen Situation wohl besser, ohne Druck in Lissabon spielen zu können, als zu Hause gegen Videoton antreten zu müssen“, gab Streller zu. Im Championat und im CL-Playoff hat der Schweizer Titelhalter drei der letzten vier Spiele verloren.
Andere Konstellation in Basel
Vor zwölf Monaten bekämpfte der FCB im Europacup die Krisen-Symptome aus dem Super-League-Alltag erfolgreich. National tut sich der Branchenleader nun wieder schwer. Die jetzige Konstellation ist nun aber nicht mehr mit jener von 2011 vergleichbar. Granit Xhaka (Mönchengladbach) und Xherdan Shaqiri (Bayern), zwei der aktuell wichtigsten Figuren im Schweizer Fussball, haben den Verein im Sommer verlassen. Abwehrchef David Abraham wechselte zu Getafe und Beni Huggel trat zurück. Der FCB büsste Leadership ein. Sauro, Salah und Diaz, die neuen Ausländer, waren bislang noch nicht in der Lage, die Lücken zu füllen.
Es ist deshalb nicht abzusehen, ob Basel in der europäischen „Genussphase“ zu einem weiteren Turnaround in der Lage ist. Sporting, der EL-Halbfinalist der letzten Saison, ist in der Gruppe G am höchsten einzustufen. Innerhalb von vier Jahren besiegten die Portugiesen den FCB und den FCZ sechsmal in Serie – mit einem Torverhältnis von 12:0. Eher in Reichweite liegen der belgische Vertreter Genk und der ungarische Emporkömmling Videoton Szekesfehervar.
Am Tropf der Banken
Der schlechte Tabellenstand von Sporting (12.) trügt wohl, im Team von Ricardo Sá Pinto steckt bedeutend mehr Potenzial. Wer es sich leisten kann, die spanischen U21-Europameister Jeffren und Capel auf der Bank zu belassen, der muss über ein gut dotiertes Kader verfügen. Kritiker werfen der Klubführung gleichwohl vor, ohne Konzept und klare Zielvorgabe zu operieren. Die Zeitung „O Jogo“ unterstellte der amtierenden Sporting-Crew schon mehrfach unseriöses Wirtschaften.
Trotz gewaltiger finanzieller Anstrengungen liegt der letzte Titelgewinn bereits zehn Jahre zurück. Porto und Benfica sind entrückt. Im letzten Frühling musste Sporting sogar Braga passieren lassen. Das traf den populären „Clube de Portugal“ schwer. Und als der Finanz-Chef zum zweiten Mal in Folge ein Minus von über 43 Millionen Euro veröffentlichte, prasselte Hohn und Spott über die schlingernde Organisation, die sich seit Jahren eine zu kostspielige Fussball-Mannschaft leistet.
Seit Monaten steht Sporting wegen offener Transferzahlungen auch im Fadenkreuz der UEFA-Ermittler. Das Problem sind aber nicht die Auflagen des europäischen Verbandes – die Verbindlichkeiten sollten bis Ende Monat zu bereinigen sein. Als erheblich gravierender könnten sich die langfristigen Verpflichtungen entpuppen. Insider beziffern die Schulden bei gegen 300 Millionen Euro. Sollten die Lissabonner Handelsbanken „Banco Espirito Santo“ und die „Banco Comercial Português“ die Rückzahlung der Kredite anordnen, droht dem 18-fachen Champion der Konkurs.
Sporting Lissabon – FC Basel.
Jose Alvalade. – 21.05 Uhr. – SR Yefet (Isr).
Mögliche Startformationen:
Sporting Lissabon: Patricio; Cédric, Xandao, Rojo, Pranjic; Fernandes, Elias; Ismailow, Silva, Carrillo; Wolfswinkel.
Basel: Sommer; Steinhöfer, Sauro, Dragovic, Park; Salah, Cabral, Fabian Frei, Stocker; Alex Frei, Streller.
Bemerkungen: Sporting Lissabon ohne Boulahrouz (verletzt). Basel ohne Yapi (verletzt).