Der Polizist, der in einem Freiburger Autobahn-Tunnel einen Autodieb erschoss, soll freigesprochen werden. Das verlangte die Freiburger Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vor dem Strafgericht des Broyebezirks in Freiburg.
Die Staatsanwaltschaft hatte zuerst gar keine Anklage erheben wollen, weil sie den Gebrauch der Waffe unter den gegebenen Umständen als zulässig erachtete. Doch das Bundesgericht entschied, der Polizist sei gemäss dem Prinzip «Im Zweifelsfall Anklage erheben» vor Gericht zu stellen.
Gemäss Freiburger Staatsanwaltschaft kann beim Polizisten weder vorsätzliche noch fahrlässige Tötung geltend gemacht werden und auch Gefährdung des Lebens schliesst sie aus.
Der Autodieb sass auf dem Beifahrersitz, als er bei dem Vorfall von 2010 erschossen wurde. Der Fahrer des Wagens steht ebenfalls vor Gericht; die Staatsanwaltschaft verlangte in seinem Fall eine unbedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten.
Luxusautos geklaut
Beim Fahrer handelt es sich um einen jungen Mann aus der Banlieue von Lyon. Er gehörte zu einer Bande, die im bernischen Lyss drei Luxusautos stahl. Mit einem dieser Wagen versuchten er und ein Kollege zurück nach Frankreich zu gelangen, als die Polizei ihre Verfolgung aufnahm.
Im Tunnel der Autobahn A1 bei Sévaz FR errichtete die Waadtländer Polizei eine Sperre. Als der Wagen mit den zwei Franzosen herangerast kam, gab der Polizist an der Sperre insgesamt sieben Schüsse ab. Der 18-jährige Beifahrer wurde dabei getötet.
«Wir sind uns alle des Schmerzes der Familie bewusst», sagte der Staatsanwalt vor Gericht. Und auch die Pein des 38-jährigen Polizisten sei nachvollziehbar. Aber dessen Verhalten sei regelkonform gewesen. Die Verteidigung sei gerechtfertigt gewesen.
Schuss auf Kühlergrill
Das Fluchtauto sei auf dem Mittelstreifen gefahren, als der Polizist sich zur Schussabgabe entschlossen habe – also teilweise auf der Spur, auf welcher sich der Polizist befunden habe. Dieser habe zudem nicht auf den Fahrer, sondern auf den Kühlergrill gezielt.
Der erste von sieben Schüssen habe jedoch die Frontscheibe getroffen, da das Auto schnell unterwegs war. Der Polizist habe nicht ahnen können, dass ein Beifahrer mitfuhr.
Der Anwalt der Familie plädierte auf eventualvorsätzliche Tötung, will das Strafmass jedoch dem Gericht überlassen. Er warf dem Staatsanwalt zudem vor, die Anklage gegen den Polizisten nicht gestützt zu haben.
Gemäss dem Anwalt sei vom Auto keine unmittelbare Gefahr ausgegangen, da der Spurwechsel eineinhalb Sekunden vor der Kreuzung mit dem Polizisten sichtbar gewesen sei. «Wäre das Auto wirklich auf sie zugerast, hätte ihre Instinkte sie zu einem rettenden Sprung auf die Seite gezwungen.» Deshalb hätten die Polizisten nicht in Panik reagiert.
Scharfes Sicherheitsdispositiv
Die Verteidigerin des Fahrers machte geltend, dass der Prozess auf dem Buckel ihres Mandanten geführt werde, obwohl er ebenfalls Kläger gegen den Polizisten sei. Er werde als «grosser Krimineller» dargestellt, was aus dem verschärften Sicherheitsdispositiv beim Prozess ersichtlich werde.
Sie fordert einen Freispruch von den Vorwürfen der Gefährdung des Lebens und der Drohung gegen Beamte. Der Anwalt des zweiten Polizisten fordert vom Fahrer einen symbolischen Schadenersatz von einem Euro und die Klarstellung, dass niemand ungestraft Polizisten gefährden darf.