Das gab es noch nie in der Bundesrepublik Deutschland: Gegen einen Bundespräsidenten soll strafrechtlich wegen eines Anfangsverdachts auf Vorteilnahme ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Donnerstag die Aufhebung der Immunität von Christian Wulff beantragt.
Über die Immunität muss der Bundestag in Berlin entscheiden. Die Staatsanwaltschaft Hannover erklärte, sie sei nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und der Auswertung weiterer Medienberichte zu ihrem Entscheid gekommen.
Ziel der angestrebten Ermittlungen sei es, den Sachverhalt in einem förmlichen Verfahren zu klären. Nach dem gesetzlichen Auftrag werde die Behörde dabei nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände ermitteln. Sie verwies zudem auf die Unschuldsvermutung.
Bei den Vorwürfen geht es um Vorgänge während Wulffs Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident (2003-2010). Ermittelt wird auch gegen den Filmfondsmanager David Groenewold, der mit Wulff unter anderem auf Sylt Ferien machte. Das Land Niedersachsen hatte für Groenewolds Firma eine Bürgschaft bereitgestellt, die aber nicht in Anspruch genommen wurde.
Opposition will Wulffs Rücktritt
Erst wenn der Bundestag dem Antrag zugestimmt hat, kann die Staatsanwaltschaft tatsächlich ermitteln. Die oppositionelle SPD sprach sich für die Aufhebung der Immunität Wulffs aus.
„In meinen Augen ist eine staatsanwaltliche Ermittlung mit dem Amt des Bundespräsidenten unvereinbar“, fügte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Donnerstagabend an. Sie forderte Wulff zum Rücktritt auf. Die SPD werde geschlossen für die Aufhebung der Immunität stimmen. Auch der Grünen-Politiker Christian Ströbele forderte Wulffs Rücktritt.
Rascher Entscheid?
Der Immunitätsausschuss des Bundestags wird sich womöglich noch in diesem Monat mit dem Antrag befassen. Ausschussvorsitzender Thomas Strobl (CDU) sagte der „Welt“, wenn ein solcher Antrag „bei uns einginge, würden wir diesen im Ausschuss beraten und dem Plenum des Bundestages eine Beschlussempfehlung geben, ob die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben wäre.“
Die nächste Sitzungswoche des Bundestages beginnt am 27. Februar. Der Immunitätsausschuss tagt normalerweise am Donnerstag. Der Termin kann aber vorgezogen werden. Die Sozialdemokraten stellen in dem Ausschuss drei Mitglieder. Die Partei bietet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seit Wochen an, gemeinsam nach einem überparteilichen Nachfolgekandidaten zu suchen.
Wulff schweigt
Wulffs Anwalt wollte den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht kommentieren. Eine Stellungnahme des Bundespräsidialamtes war am Donnerstagabend nicht zu erhalten. Die niedersächsische Landesregierung erklärte, sie nehme zu einem laufenden Verfahren keine Stellung.