Der Anlegerschutz und die Aufsicht über die Finanzdienstleister sollen neu geregelt werden. Der Ständerat hat am Mittwoch als Erstrat zwei Gesetze gutgeheissen. Von den ursprünglichen Plänen ist allerdings nicht viel übrig geblieben.
In der Finanzkrise verloren viele Anleger ihr Vermögen, weil sie es in Finanzprodukte angelegt hatten, deren Risiken sie nicht kannten. Manche waren schlecht beraten worden.
Die EU beschloss daraufhin, den Anlegerschutz zu verbessern. Die Schweiz möchte nun erreichen, dass die EU ihre Regeln als gleichwertig anerkennt – eine Voraussetzung für den Marktzugang.
«Rückweisung light» erfolgreich
Die Gesetzesprojekte, die noch unter Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf entstanden waren, stiessen in der Finanzbranche jedoch auf heftige Kritik. In der Folge brachte zunächst der Bundesrat und dann die Wirtschaftskommission des Ständerates Korrekturen an. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien zeigten sich erfreut über das Resultat.
Die ursprüngliche Vorlage sei völlig ungeniessbar gewesen, sagte Hannes Germann (SVP/SH). Pirmin Bischof (CVP/SO) wies darauf hin, dass nach der «Rückweisung light» nun alle wichtigen Branchenorganisationen zufrieden seien. Das sei selten. Martin Schmid (FDP/GR) sieht den Grund darin, dass auf einen «Swiss finish» verzichtet worden sei.
Kundenschutz nicht verbessert
Enttäuscht zeigte sich die Ratslinke. Christian Levrat (SP/FR) erinnerte daran, dass es darum gegangen sei, die Kunden besser zu schützen. Dieses Ziel werde nun aber nicht erreicht. Auch enthalte die Vorlage keinerlei Verbesserungen für Geschädigte vor Gericht. Dabei seien sich nach dem Kollaps von Lehman Brothers alle einig gewesen, dass Änderungen nötig seien.
Levrat zog auch in Zweifel, dass die Regeln äquivalent mit jenen der EU sind. Und er kritisierte Finanzminister Ueli Maurer, der sich mit der Verwässerung einverstanden gezeigt habe. In der Kommission habe niemand die Position des Bundesrates vertreten, stellte Levrat fest. Maurer widersprach: Die Ziele des Bundesrates seien in den 300 Seiten nach wie vor enthalten.
Versicherer ausgenommen
Die SP beantragte Verschärfungen, unterlag aber fast durchs Band: Der Ständerat folgte beim Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) mehrheitlich seiner Kommission und entschied im Sinne der Branchenorganisationen.
So beschloss er, die Versicherer vom Geltungsbereich des FIDLEG auszunehmen. Damit komme man weg von der «All-Finanz-Fantasie», hiess es im Rat. Nötige Regulierungen seien im Versicherungsgesetz vorzunehmen.
Pflicht zur Information
Das FIDLEG regelt, wie die Kundinnen und Kunden über Finanzinstrumente informiert werden müssen. Die Bank, der Vermögensverwalter oder der Anlageberater muss ihre Kenntnisse, Erfahrungen und finanziellen Verhältnisse berücksichtigen.
Basisinformationsblätter zu Finanzinstrumenten sollen Privatkunden ermöglichen, die Produkte zu vergleichen und einen fundierten Anlageentscheid zu treffen. Vorgesehen sind ferner einheitliche Prospektanforderungen für sämtliche Effekten, die öffentlich angeboten oder an einem Handelsplatz gehandelt werden.
Beweislast umkehren
Enthält das Basisinformationsblatt oder der Prospekt unrichtige, irreführende oder widerrechtliche Informationen und wird der Kunde dadurch geschädigt, liegt die Beweislast künftig bei der Bank: Sie muss beweisen, dass sie keine Schuld trifft. Das beschloss der Rat mit 25 zu 11 Stimmen.
Hier hat sich der Vorschlag des Bundesrates durchgesetzt, für den sich neben den SP- auch die CVP-Vertreter einsetzten. Pirmin Bischof (CVP/SO) sprach von einer «Lex Lehman Brothers». Die Kommission hatte die Beweislast beim Kunden belassen wollen.
Prozesshürden bleiben
Verzichtet hatte der Bundesrat nach der Vernehmlassung auf Massnahmen, die dazu führen sollten, dass Geschädigte ihre Ansprüche einfacher vor Gericht durchsetzen können. Zur Diskussion standen Schiedsgerichte, Prozesskostenfonds und die Einführung von Gruppenvergleichsverfahren.
Der Ständerat will nun zusätzlich darauf verzichten, die Hürden für die Einleitung eines Zivilprozesses zu senken. Nach dem Vorschlag des Bundesrates würden Privatkunden von Prozesskostenvorschüssen befreit, und Finanzdienstleister müssten ihre Parteikosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens selber tragen.
Vermögensverwalter unter Aufsicht
Mit dem FINIG werden die unabhängigen Vermögensverwalter neu einer Aufsicht unterstellt. Die Aufsicht soll aber keiner Behörde obliegen, sondern Organisationen, die von der Finanzmarktaufsicht (FINMA) bewilligt und beaufsichtigt werden.
Der Kommissionssprecher sprach vom «verlängerten Arm der FINMA». Das Modell kombiniert aus Sicht des Ständerates die staatliche Aufsicht und die bewährte Selbstaufsicht. Mit diesem Kompromiss hatten sich die Branche und die FINMA einverstanden erklärt.
Rahmen für Fintech
Ergänzen will der Rat die neuen Gesetze mit einer rechtlichen Grundlage für Fintechunternehmen, die beispielsweise Apps für mobile Zahlungen anbieten. Für sie sollen nicht länger dieselben strengen Vorschriften gelten wie für Banken. Der Bundesrat strebt das ebenfalls an. Er hat das Finanzdepartement vor kurzem beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage dazu auszuarbeiten.
Zum Bankeninsolvenzrecht verlangt der Ständerat eine separate Vorlage. Er folgte seiner Kommission und beschloss, einen Teil der FINIG-Vorlage auszugliedern und an den Bundesrat zurückzuweisen. In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat das FIDLEG mit 4 und das FINIG mit 6 Gegenstimmen gut. Die Gesetze gehen nun an den Nationalrat.