Der Ständerat will empfehlen, die Erbschaftssteuer-Initiative abzulehnen. Aus seiner Sicht ist das Volksbegehren jedoch gültig. Noch hat das Volk aber nicht das Wort.
Der Ständerat will Volk und Ständen empfehlen, die Erbschaftssteuer-Initiative abzulehnen. Aus seiner Sicht ist das Volksbegehren jedoch gültig. Bevor es vors Volk kommt, muss nun noch der Nationalrat darüber beraten. Die kleine Kammer sprach sich mit 32 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Initiative aus. Für ein Ja setzte sich eine linke Minderheit ein.
Die Volksinitiative «Millionenerbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» sieht vor, dass der Bund Erbschaften und Schenkungen mit 20 Prozent besteuert. Für Erbschaften gälte ein Freibetrag von 2 Millionen Franken, für Schenkungen von 20’000 Franken im Jahr. Die Einnahmen kämen zu zwei Dritteln der AHV und zu einem Drittel den Kantonen zu Gute.
Die meisten industrialisierten Länder kennen eine Erbschaftssteuer. In der Schweiz besteuert der Bund heute Erbschaften nicht. Zwar erheben fast alle Kantone solche Steuern, doch sind direkte Nachkommen inzwischen fast überall von der Steuer befreit. Christian Levrat (SP/FR) sprach von einer Negativspirale im Rahmen des Steuerwettbewerbs.
Keine gerechtere Steuer
Aus Sicht der Befürworterinnen und Befürworter gibt es keine gerechtere Steuer. Die Konzentration der Vermögen nehme ständig zu, heute sei in der Schweiz ein Prozent der Bevölkerung im Besitz von 59 Prozent des Vermögens, gab Levrat zu bedenken. Paul Rechsteiner (SP/SG) wies darauf hin, dass grosse liberale Ökonomen die Erbschaftssteuer befürworteten. Erbschaften seien Vermögen, die der Betroffene nicht selber erarbeitet habe.
Anita Fetz (SP/BS) betonte, von der Initiative wären wenige betroffen. Nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung hätten ein Vermögen von über zwei Millionen Franken. Von der Besteuerung ausgenommen wären nicht nur Ehepartner, sondern auch gemeinnützige Stiftungen und Vereine sowie bäuerlicher Boden. Einfamilienhäuschen wären ebenfalls nicht betroffen.
Gegen föderalistische Ordnung
Die Gegnerinnen und Gegner monierten, die Initiative greife in die Steuerhoheit der Kantone ein. In allen Kantonen mit Ausnahme des Kantons Schwyz gebe es eine Erbschaftssteuer, einfach nicht für alle Verwandtschaftsgrade, stellte Pirmin Bischof (CVP/SO) fest. Die heutigen Regeln seien familienfreundlich.
Die Redner aus den Reihen der bürgerlichen Parteien warnten auch vor Schaden für die Wirtschaft. Die Initiative behindere die Nachfolgeregelung von Betrieben, kritisierte Martin Schmid (FDP/GR). Die vorgesehenen Sonderregeln änderten daran nichts. Laut Initiativtext sollen besondere Ermässigungen gelten, wenn Betriebe von den Erben mindestens zehn Jahre weitergeführt werden.
Einheit der Materie
Andere monierten, die Initiative sei ungültig, weil sie verschiedene Bereiche berühre, nämlich die Einführung einer neuen Steuer, die Umstellung der AHV-Finanzierung und die kantonale Steuerhoheit. Auch sei offen, ob die Rückwirkung zulässig sei. Die neuen Regeln sollen rückwirkend ab 2012 gelten.
Der Ständerat hatte die Initiative im Juni an die vorberatende Wirtschaftskommission zurückgewiesen mit dem Auftrag, sich noch einmal mit der Frage der Gültigkeit auseinanderzusetzen und dabei auch die Staatspolitische Kommission einzubeziehen. Die Kommissionen kamen zum Schluss, dass das Volksbegehren gültig ist.
Grundsätzliche Diskussion
Die Staatspolitische Kommission beschloss indes, die geltenden Ungültigkeitsgründe grundsätzlich zu überprüfen. Unter anderem diskutiert sie darüber, die Regeln so zu ändern, dass Initiativen für ungültig erklärt werden können, wenn Verfassungsprinzipien wie die Verhältnismässigkeit verletzt werden.
Die Mehrheit im Ständerat teilte die Auffassung der Kommissionen. Über die Ungültigkeitsgründe müsse zwar diskutiert werden, doch dürften die Regeln nicht während des Spiels geändert werden, lautete der Tenor.
Rechtsstaatlich bedenklich
Für eine Ungültigerklärung der Initiative setzte sich Hans Hess (FDP/OW) ein. Die Einheit der Materie sei eindeutig verletzt, und die Rückwirkung sei rechtsstaatlich bedenklich. «Was ist das für ein Staat, der nach Gutdünken rückwirkend Recht in Kraft setzt?», fragte Hess. Der Rat lehnte seinen Antrag indes mit 30 zu 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.
Auch der Bundesrat sieht bei der Gültigkeit keine Probleme, lehnt die Initiative aber ab. Die Kantone hätten zwar auf einen Teil der Einnahmen durch die Erbschaftssteuer verzichtet, doch ändere dies nichts daran, dass die Steuer in ihrer Kompetenz liege, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Nach ihren Angaben liegt der Anteil der Erbschaftssteuer in den Kantonen an den Steuereinnahmen heute unter zwei Prozent.
Die Volksinitiative wurde am 15. Februar 2013 eingereicht. Dahinter stehen die Parteien EVP, SP, Grüne und CSP sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die christliche Organisation ChristNet.