Der Ständerat will um jeden Preis vermeiden, dass die Reform der Altersvorsorge in der Volksabstimmung abstürzt. Er hat sich am Dienstag unnachgiebig gezeigt und an seinem Konzept festgehalten.
Kernpunkte sind der Zuschlag auf neuen AHV-Renten von 70 Franken und die Erhöhung der Ehepaar-Renten. Damit sollen die Einbussen ausgeglichen werden, die durch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der zweiten Säule entstehen. Finanziert würde der Zuschlag durch 0,3 zusätzliche Lohnprozente.
SVP und FDP bekämpften diese Lösung nicht nur wegen der höheren Lohnkosten. Ihre Vertreter kritisierten, es handle sich um einen Rentenausbau, von dem nur Neurentner profitieren würden. Für die Bürgerlichen ist die Vermischung von erster und zweiter Säule eine gesetzgeberische Sünde. Damit konnte die Mehrheit indes leben. «Wir müssen keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, wir müssen eine Volksabstimmung gewinnen», sagte Kommissionssprecher Konrad Graber (CVP/LU).
Teure Lösung
Der Nationalrat hatte den Zuschlag in der Herbstsession abgelehnt. Er möchte die Versicherten stattdessen verpflichten, mehr Altersguthaben zu sparen, damit sie bei der Pensionierung gleich hohe Renten bekommen. Nach Berechnungen der Verwaltung wäre die Lösung des Nationalrats über den Zeitraum 2018 bis 2030 rund 24 Milliarden Franken teurer als jene des Ständerats.
Die Befürworter in der kleinen Kammer argumentierten, dass dieses Geld anders als bei der AHV direkt auf dem Alterskonto der Versicherten lande. Mit Zugeständnissen an Ehepaare oder Personen mit tiefen Löhnen versuchten sie auch, die Allianz von CVP und SP aufzubrechen. Vergeblich: Die entsprechenden Minderheitsanträge scheiterten deutlich.
Die kleine Kammer beschloss aber ebenfalls Änderungen bei der zweiten Säule. Mit einer gezielten Anpassung des Koordinationsabzugs sollen tiefe und mittlere Einkommen besser versichert werden. Arbeitnehmer müssten schon ab 21 Jahren Pensionskassenbeiträge abgeben. Diese würden mit dem Alter steigen. Festgehalten hat der Ständerat daran, dass erst ab 50-Jährige beim Alterssparen unterstützt werden sollen.
Kein höheres Rentenalter
Nicht nur das Kompensationsmodell des Nationalrats, auch dessen sogenannte Stabilisierungsregel ist im Ständerat durchgefallen. Nach dem Willen der grossen Kammer soll das Rentenalter automatisch auf bis zu 67 Jahre steigen, sobald der AHV-Fonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe fällt. Parallel dazu würde die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent angehoben.
Die Diskussion über ein höheres Rentenalter müsse geführt werden, sagte Kommissionssprecher Graber. «Wir tun aber gut daran, nichts über das Knie zu brechen.» Nach der Volksabstimmung über die laufende Reform dürfte das Thema wieder auf die politische Tagesordnung kommen.
Uneinig sind die Räte auch bei der AHV-Zusatzfinanzierung aus der Mehrwertsteuer. Der Ständerat bleibt dabei, dass 1 Prozentpunkt zusätzlich notwendig ist. «Darunter geht es nicht», warnte auch Bundesrat Alain Berset. Der Nationalrat hat lediglich 0,6 Prozentpunkte bewilligt. Der AHV würden dadurch rund 1,4 Milliarden Franken entgehen.
Den Bundesbeitrag an den Ausgaben der AHV belässt der Ständerat bei 19,55 Prozent. Der Nationalrat will 20 Prozent von der Bundeskasse. Das wären rund 270 Millionen Franken mehr als heute.
Die Witwen- und Kinderrenten tastete der Ständerat nicht an, auch das mit der Volksabstimmung im Hinterkopf. «Eine Anpassung der Ansprüche wäre verfrüht», sagte Graber. Die Frauen leisteten mit der Erhöhung des Rentenalters bereits einen grossen Beitrag zur Reform. Es sei «politisch ungeschickt», ihnen noch mehr aufzuladen.
Der Nationalrat will den Rentenanspruch der Witwen einschränken und die Renten kürzen. Die Kinderrenten möchte er auslaufen lassen, den Export von Waisenrenten und IV-Kinderrenten für Pflegekinder hat er gestrichen. Der Ständerat lehnte das ab, nicht zuletzt, weil darüber keine Vernehmlassung durchgeführt worden war.
Einigkeit über Ziele
Eingelenkt hat der Ständerat bei den Modalitäten des flexiblen Altersrücktritts: AHV-Beiträge sollen auch während der Dauer des Rentenvorbezugs erhoben werden. Den erleichterten Rentenvorbezug für Personen mit langer Beitragsdauer und tiefem Einkommen haben beide Räte abgelehnt.
Ziel der Reform ist es, AHV und berufliche Vorsorge für die nächsten Jahre auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Frauen sollen künftig bis 65 Jahre arbeiten, was die AHV entlastet. Geeinigt haben sich die Räte auch darüber, dass der Umwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge angesichts der tiefen Anlagerenditen von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden muss.
Straffer Fahrplan
Der Ständerat hat die Reform der Altersvorsorge nun zum zweiten Mal diskutiert. Die Vorlage geht zurück an den Nationalrat. In der Frühjahrssession muss sie bereinigt werden. Die Eile ist geboten, denn Ende 2017 läuft die Zusatzfinanzierung der IV von 0,4 Prozent aus. Ab 2018 sollen 0,3 Prozent davon nahtlos für die AHV verwendet werden. Der letztmögliche Abstimmungstermin für die nötige Verfassungsänderung ist der 24. September 2017.