Der Ständerat hat am Mittwoch fast drei Stunden lang über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative diskutiert. Entscheide sind noch nicht gefallen. Über eine Auslegeordnung ist die kleine Kammer nicht hinausgekommen.
Zur Diskussion standen drei verschiedene Konzepte. Der Aargauer FDP-Ständerat Philipp Müller schlägt vor, dass offene Stellen den Arbeitsämtern gemeldet werden müssen, wenn in einer Berufsgruppe die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist.
Diese Inserate wären zunächst nur für jene Stellensuchenden zugänglich, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind. Firmen können auch verpflichtet werden, einige geeignete Stellensuchende zum Bewerbungsgespräch einzuladen. Ablehnungen müssten begründet werden. Auch weitergehende Massnahmen wären möglich, diese müssten aber mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar sein.
Nicht erfüllbare Erwartungen
Einen Konflikt mit dem Zuwanderungsartikel in der Verfassung gibt es laut Müller nicht. Dieser verlange nicht die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens, sondern dessen Anpassung. Ohne Mitwirkung des Vertragspartners sei das nicht möglich. «Hier wurden nicht erfüllbare Erwartungen geweckt.»
Müller pries sein Konzept als einfache, zielgerichtete Lösung. Mit der Beschränkung auf Berufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeit wären nach seiner Einschätzung nur einige Tausend Stellenwechsel pro Jahr davon betroffen, was administrativ tragbar sei.
Dort, wo sie zum Tragen kämen, seien die Massnahmen aber umso dringender: Die Schweiz könne es sich nicht leisten, dass in Berufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeit jedes Jahr Arbeitnehmer aus dem Ausland geholt würden.
Auf Konfrontationskurs
Für Müllers Konzept hatten sich im Vorfeld FDP und SP ausgesprochen, die zusammen im Ständerat über eine Mehrheit verfügen. Die CVP unterstützte die von ihrem Ständerat Pirmin Bischof (SO) vorgeschlagene Variante. Bei Überschreitung eines Schwellenwerts will auch er eine Meldepflicht für offene Stellen. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden können, Bewerber anzuhören und Ablehnungen zu begründen.
Der entscheidende Unterschied zu Müllers Konzept liegt darin, dass das Parlament bei schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen Abhilfemassnahmen auch ohne die Zustimmung der EU beschliessen könnte. Damit will Bischof verhindern, dass Brüssel im Gesetz eine Art Vetorecht eingeräumt wird.
Im Dilemma zwischen Verfassung und Freizügigkeitsabkommen sieht er seine Lösung nahe am Verfassungsartikel, ohne aber das Freizügigkeitsabkommen zu verletzen. Es handle sich um einen Mittelweg, erklärte Bischof.
Flirt am Abgrund
Nach Ansicht von Hans Stöckli (SP/BE) lassen sich diese beiden Elemente aber ebenso wenig zusammenfügen wie Feuer und Wasser. Dabei entstehe nur Rauch, sagte er. Andrea Caroni (FDP/AR) sprach von einem «Flirt am Abgrund». Dieser führe entweder zu Unsicherheit oder zum Vertragsbruch.
Der Schwyzer SVP-Ständerat Peter Föhn hielt nichts von solchen Erwägungen. «Ich will ganz einfach die vom Volk angenommene Bundesverfassung umsetzen», sagte er. Für ihn heisst das Kontingente für EU-Bürger und einen echten Inländervorrang. Dass sich das nicht mit dem Freizügigkeitsabkommens verträgt, ist für Föhn unerheblich.
Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative, Brexit und andere Abstimmungen zeigten, dass man sich nicht mehr alles vorschreiben lassen wolle, sagte Föhn. «Es brodelt, das müssen wir ernst nehmen.»
Caroni wies seinen Ratskollegen darauf hin, dass auch Föhns Lösung mit ihren vielen Ausnahmen den Zuwanderungsartikel nicht wirklich umsetzt. Für den FDP-Ständerat führt daher kein Weg an einer neuen Verfassungsabstimmung vorbei. Der Verfassungsartikel beauftrage den Bundesrat zwar, die Personenfreizügigkeit neu zu verhandeln. Er sage aber nicht, was geschehe, wenn diese Verhandlungen erfolglos seien. Diese Frage müsse der Auftraggeber beantworten, also das Volk.
Die Debatte wird am Donnerstagmorgen fortgesetzt.