Kranke könnten sich künftig stärker an den Kosten beteiligen müssen. Der Ständerat möchte die tiefsten Franchise in der Krankenversicherung erhöhen. Er hat am Mittwoch einer Motion von Ivo Bischofberger (CVP/AI) zugestimmt, mit 31 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung.
Sagt auch der Nationalrat Ja, wird der Bundesrat beauftragt, das Krankenversicherungsgesetz anzupassen: Die Franchisen sollen regelmässig der Kostenentwicklung der Krankenversicherung angepasst werden, insbesondere die Standardfranchise von 300 Franken.
Die Belastung der Prämienzahler sei stark angestiegen, argumentierte Bischofberger. Darunter leide vor allem der Mittelstand, der keine Prämienverbilligungen erhalte. Damit die Krankenversicherung bezahlbar bleibe, müsse die Eigenverantwortung gestärkt werden. Die regelmässige Anpassung der Mindestfranchise wäre ein moderater Schritt.
Wegen Bagatelle zum Arzt
Das Kostenwachstum werde dadurch verschärft, dass viele wegen Bagatellen einen Arzt aufsuchten, sagte Bischofberger. Auch würden Mehrfachuntersuchungen kaum hinterfragt. So würden Leistungen zu Lasten der solidarisch finanzierten Krankenversicherung beansprucht, die unnötig seien. «Wer selbst bezahlt, stellt die kritischeren Fragen.»
Das betonte auch Konrad Graber (CVP/LU) im Namen der vorberatenden Kommission. Er zeigte sich überzeugt, dass mit höheren Franchisen ein grösseres Kostenbewusstsein geschaffen werden könnte.
Zu spät zum Arzt
Gegen den Vorstoss stellte sich die Ratslinke. Sie plädierte dafür, den angekündigten Bericht des Bundesrates zum Thema abzuwarten. Es brauche eine Gesamtschau, sagte Hans Stöckli (SP/BE). So müsse bei der Festlegung der Franchise auch geprüft werden, ob diese für erkrankte Versicherte tragbar sei.
Weiter gab Stöckli zu bedenken, dass höhere Franchisen unter Umständen zu Mehrkosten führen könnten, weil die Leute zu spät ärztliche Hilfe in Anspruch nähmen. Er machte ausserdem geltend, die Kostenbeteiligung sei in den vergangenen Jahren gestiegen.
Doppelt so hoch wie 1996
Das betonte auch Gesundheitsminister Alain Berset. Der Eindruck sei falsch, dass die Standardfranchise nicht gestiegen sei. Der Bundesrat überprüfe diese regelmässig und erhöhe sie wenn nötig, hielt er fest. In den vergangenen Jahren habe er die ordentliche Franchise zweimal angepasst. Mit 300 Franken sei diese heute doppelt so hoch wie 1996.
Die von den Versicherten geleistete Kostenbeteiligung sei seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes leicht stärker gestiegen als die von den Versicherern vergüteten Leistungen – und stärker als die Löhne, gab der Bundesrat zu bedenken. Die Kostenbeteiligung sei um 111 Prozent angestiegen. Im selben Zeitraum hätten sich die Nominallöhne um lediglich rund 24 Prozent erhöht.
Rabatte einschränken
Der Bundesrat hatte ebenfalls Änderungen vorgeschlagen, aber mit einer anderen Stossrichtung. Er wollte einen Teil der Wahlfranchisen streichen und die Höhe des maximalen Prämienrabatts senken, den die Krankenkassen für Wahlfranchisen gewähren. Bei einer Franchise von 2500 Franken beispielsweise sollte der maximale Rabatt von heute 1540 Franken auf 1100 Franken sinken.
Inzwischen wurden die Pläne jedoch auf Eis gelegt. Der Bundesrat will erst zusätzliche Abklärungen treffen. So soll etwa der Zusammenhang von gewählter Franchise und in Anspruch genommenen medizinischen Leistungen ermittelt werden. Auch will der Bundesrat untersuchen lassen, welche Gründe zum Wechsel der Franchise führen. Die Ergebnisse sollen bis Mitte 2017 vorliegen.
Medizinischer Fortschritt
Berset stellte im Rat fest, die Krankenkassenprämien würden weiter ansteigen. Ein Teil des Anstiegs sei erklärbar – mit dem medizinischen Fortschritt, der steigenden Lebenserwartung und der Zunahme chronischer Krankheiten.
Es gebe aber auch einen Teil, der nicht erklärbar sei, stellte Berset fest. Diesen gelte es zu bekämpfen. Er nannte als Stichworte die Medikamentenpreise und die Qualität im Gesundheitswesen. Die Motion sei keine «Wunderlösung».
Keine kurzfristigen Änderungen
Im Parlament gibt es auch weitere Ideen zu Änderungen bei der Franchise. Die Gesundheitskommissionen von National- und Ständerat möchten die Möglichkeiten für eine kurzfristige Änderung der Franchise einschränken: Wer sich für eine hohe Krankenkassen-Franchise, ein Hausarzt- oder ein HMO-Modell entscheidet, soll künftig mindestens drei Jahre dabei bleiben müssen.
Über eine entsprechende Gesetzesänderung werden die Räte entscheiden. Die Befürworter wollen zum Beispiel verhindern, dass Versicherte zur Franchise von 300 Franken im Jahr zurückkehren können, wenn sich höhere Krankheitskosten abzeichnen.