Es gibt sie schon, seit es die Geige gibt – die Stargeiger. Eine von ihnen war/ist Vanessa Mae. Doch die umtriebige Asiatin fährt gegenwärtig lieber Ski. Wie kam es nur dazu? Meier’s Best auf Tuchfühlung.
Stargeiger. Schon immer waren sie echte Stars und scharten die Leute um sich. Auch heute noch. Teils wegen der Musik. Teils wegen ihres Könnens. Mehrheitlich aber wegen ihres erhöhten Show-Werts. Es war 1997. Wir kennen sie alle, die Szenerie im Videoclip (leider nur als song online), wo Vanessa Mae, irgendwo in der Südsee da im Meer in den Wellen steht. Asiatisch zierlich, auf absurde Art sexy in einem langen Kleid mit ihrer weissen E-Geige.
Wir fragten uns damals alle, wie sie nur im Wasser stehend den Sommersturm aus den Vier Jahreszeiten zum Besten geben konnte, obwohl kein Stromkabel zu sehen war, das von ihrer Geige durchs feuchte Nass hindurch zu einer nahe gelegenen Steckdose führte. Bis heute ein Rätsel. Sie war der Star der Stunde, verband Gassenhauer der Klassik mit der damaligen Popindustrie. Spätestens 1995, als ihr Debut-Album mit dem sinnigen Titel The Violin Player auf dem Markt war, wusste jeder wie Bachs Toccata (eigentlich für Orgel komponiert) zu fiddeln und mit Vollbass zu unterlegen war, damit’s richtig rockte in den Gehörgängen.
Was einem Terroranschlag gleichkam für die Klassikwelt, war für die Pop-Fans eine Wonne und wurde zum Mega-Erfolg. Volle Konzerthallen und Stadien weltweit. Es regnete Preise, wie Bambis und Echos, Preise für die meisten verkauften Tonträger im Bereich der Klassischen Musik; sogar Vanessas Schönheit wurde prämiert. Es folgten The Classical Album I, Storm, China Girl: The Classical Album II, Subject to Change (ja, bitte!) und schliesslich Choreography (wie geht das zusammen?) sowie diverse zu den CDs gehörende Singles.
Vanessa lässt sich nicht entmutigen
Doch anfangs der Nullerjahre begann ihre Karriere zu bröckeln. Die Fans wurden weniger. In der Klassik, obwohl sie bereits im zarten Alter von zehn Jahrem (laut Wikipedia) beim London Philharmonic Orchestra mitspielen durfte, wurde sie niemals ernst genommen. Zu entweihend waren ihre teils abenteuerlichen Neuinterpretationen des traditionsschweren Musikguts, die vor Hardrock ebenso wenig halt machten wie vor dröhnenden Tec-Beats.
Nach einer kurzen Kollaboration mit dem Popstar Prince war dann Schluss. Traurig eigentlich. Denn sie hatte es weit gebracht. Doch die umtriebige Chinesin mit thailändischen Wurzeln liess sich nicht entmutigen. Sie sagte Heute ist heut! und wollte Skirennfahrerin werden, weil das Ski fahren beherrschte sie ja auch schon seit dem sie vier war.
Also zog sie nach Zermatt um und trainierte. Dank einer Sonderregelung, mit der Länder, die keine Rennfahrer unter den weltweiten Top-500 am Start haben, dennoch einen Athleten entsenden dürfen, sofern dieser die geforderten 140 FIS-Punkte erreicht hat, wurde sie tatsächlich für die Disziplinen Slalom und Riesenslalom für Thailand an den Olympischen Spielen in Sotchi zugelassen. Im Riesenslalom erreichte sie immerhin den 67. Rang und mit schlappen 50 Sekunden Rückstand nach der Siegerin Tina Maze das Ziel.
Auch wenn sie sicherlich keine Olympia-Siegerin werden wird, so wäre sie mit Sicherheit die erste Rennfahrerin, die während sie die Tore umfährt, noch passend und virtuos das Allegro con motto aus Vivaldis L’inverno treichen und zupfen könnte. Eine passende Geige hätte sie ja. Mit oder ohne Strom.
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Sätze zwei und drei im Stargeigertrio folgen in Kürze