Der Berner Thomas Stauffer, seit Frühling 2014 Cheftrainer des Schweizer Männerteams, äussert sich nach Luca Aernis WM-Triumph in der Kombination in St. Moritz.
Thomas Stauffer, erzählen Sie uns bitte etwas über Luca Aerni.
«Als ich vor drei Jahren zu dieser Mannschaft kam, war er bereits ein super Sportler. Leider verlor er dann wegen Rückenproblemen eine Saison. Doch diese Probleme hat er nun in den Griff gekriegt. Wir wissen, dass er ein super Skifahrer ist und viel Talent hat. In dieser Saison sah man, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet, nachdem er im Sommer eine gute Vorbereitung absolvieren konnte. Zwei, drei Male hatte er in diesem Winter Pech. Aber das spielt nach heute alles keine Rolle mehr.»
Sie haben Anfang Januar in Adelboden gesagt, dass es keineswegs klar ist, dass Aerni die WM-Kombination bestreiten wird.
«Das war tatsächlich so. Doch der Januar ist eben ein anstrengender Monat für die Slalom-Fahrer. Da wollte ich zuerst absehen können, wie stabil Luca in seiner Hauptdisziplin fährt und ob noch Zeit bleibt, Speed zu trainieren. Als diese Vorbereitung gewährleistet war, durfte er hier die Abfahrts-Trainings bestreiten, in denen er sich nicht schlecht präsentierte.»
Aerni erfuhr am Tag vor dem Rennen erst gegen Abend davon, dass er statt Niels Hintermann den vierten Schweizer Startplatz erhält. Was waren Ihre Gedankengänge?
«Das war noch recht schwierig. Wir haben die ganze Woche angeschaut und dann einen Trainerentscheid gefällt. Ich weiss, dass es dann etwas spät und stressig war. Doch der Grund dafür lag in der Programmverschiebung. Ich wollte halt wirklich noch das letzte Training der Kombinierer abwarten, welches erst nach der verschobenen Männer-Abfahrt stattfand.»
Können Sie den Trainerentscheid etwas näher beschreiben?
«Dabei geht es um eine Gesamtbeurteilung. Wie viel verliert ein Fahrer in der Abfahrt, was kann einer im Slalom bringen. Oder dann auch, ob der starke Slalom-Fahrer in der Abfahrt in die Top 30 kommen kann. Wenn ihm das gelingt, so wie Luca am Montag, dann findet er natürlich ein super Piste vor. Zudem konnten wir absehen, dass die Slalom-Piste mit der Zeit wohl schlechter werden würde. Dies alles ergibt ein Bild, der zum Entscheid führt.»
Wie nahm Niels Hintermann, der in Wengen überraschend die Kombination gewonnen hatte, diesen Entscheid auf?
«Es war kein Entscheid gegen Niels, sondern einer für Luca. Ganz klar, dass Niels enttäuscht war. Doch er hat die richtige Reaktion gezeigt. Er ist ein Sportsmann und hat allen vier Teamkollegen viel Glück und Erfolg fürs Rennen gewünscht. Auf der anderen Seite hat er aber auch gesagt, dass er im Moment nicht mit mir reden könne, weil er so enttäuscht über die Nicht-Nomination sei. Ich verstehe ihn. Er ist brutal ehrgeizig und wäre bei der Heim-WM nur allzu gerne gestartet. Nun blieb er jedoch ohne Einsatz.»
Mit Jörg Rothen durfte ein Swiss-Ski-Trainer den Kombi-Slalom ausflaggen. Gab es dabei eine Taktik?
«Zu taktieren, war schwierig. Er musste den Lauf schon vor der Abfahrt stecken. Bei seinem Lauf ging es ums Skifahren. Es war kein allzu schwieriger Lauf. Im Nachhinein genau richtig, kann ich sagen. Gerade auch Mauro (Caviezel) ist den Slalom ganz stabil gefahren. Er hat ohne grossen Fehler vom Anfang bis zum Ende gepusht. Genau das, was es heute gebraucht hat. Andere hingegen haben im unteren Teil, wo es mit der Zeit ruppiger geworden ist, etwas Tempo rausgenommen.»
Wann haben Sie an eine Medaille geglaubt? Schon zum Zeitpunkt, als Marcel Hirscher hinter Aerni zurückblieb?
«Da dachte ich zumindest einmal: Gut, für Hirscher wirds nicht Gold.»
Vom 30. Platz zu WM-Gold, dieses Unterfangen war Hirscher vor zwei Jahren in Beaver Creek gelungen.
«Exakt. Doch ich habe Marc Berthod ein SMS geschickt, dass Luca quasi ihn nachgemacht habe (Berthod fuhr 2007 in Adelboden im Slalom von Position 27 noch zum Sieg – Red.).»
Ihr Team bekundete Anfang Saison etwas Mühe, die Resultate waren nicht allzu gut.
«Ich sagte immer, dass wir im Januar Schwung holen müssen für die WM. Das ist uns gut gelungen. Schade war, dass Beat (Feuz) in Kitzbühel stürzte. Doch Ende Januar haben wir gesehen, dass wir Schwung aufgenommen haben. Jetzt sind wir hier als gute Mannschaft und mit einer guten Stimmung über alle drei Trainingsgruppen. Jeder Athlet hilft dem anderen und untereinander sagen sie auch: ‚Hey, morgen geben wir so richtig Gas.‘ So muss es sein.»
Was ist im Team-Wettbewerb möglich?
«Der Kurs ist eher prädestiniert für die Slalom-Fahrer. Das sind wir mit Reto (Schmidiger), der in den letzten Jahren in diesem Wettbewerb eine Bank war, Luca und Daniel (Yule) sehr gut vertreten. Bei den Frauen ist dies dank Wendy (Holdener), Mélanie (Meillard) und Camille Rast ebenfalls der Fall. Wie vorhin erwähnt, hat das Schweizer Team nun den nötigen Schwung. Wir sind bereit. Doch der Team-Wettbewerb ist immer eine enge Sache.»