Bei ihrem Rückzug aus Italien wütete die deutsche Wehrmacht in Hunderten Orten. Zu den schlimmsten Massakern gehörte dasjenige im toskanischen Civitella. Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier gedachte am Sonntag der Opfer vor 70 Jahren.
Er sei fassungslos, erschüttert und zutiefst beschämt von dem, «was Deutsche hier getan haben», sagte Steinmeier im Bergdorf Civitella bei Arezzo. Er hielt seine Rede auf Italienisch.
In Civitella hatten deutsche Soldaten Ende Juni 1944 in einer der brutalsten Vergeltungsmassnahmen Alte, Frauen und Kinder niedergeschossen. 244 Zivilisten kamen ums Leben.
«Wir Deutsche wissen, welche Verantwortung wir bis heute für die Gräueltaten unserer Landsleute tragen», sagte Steinmeier und bat um Verzeihung «für das Unverzeihliche». Die grosse Schuld, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg auch in Italien auf sich geladen habe, dürfe nicht verdrängt und vergessen werden.
Auch dürfe keine politische Krise dazu verleiten, Krieg wieder für eine Lösung zu halten. «Die Mächte der Unterwelt werden nicht wieder die Oberhand erlangen können – weder in Civitella noch irgendwo sonst in Europa», betonte Steinmeier. Das schulde man den Toten.
Einladung aus Rom
Zu der Gedenkfeier hatte Italiens Aussenministerin Federica Mogherini den deutschen Amtskollegen eingeladen. Sie würdigte das gemeinsame Gedenken als Geste von hohem symbolischem Wert, es erhalte so die Erinnerung an die Opfer der Nazi-Barbarei.
Partisanen hatten in der Dorfkneipe von Civitella drei Deutsche erschossen, elf Tage später schlugen die deutschen Truppen von der Wehrmachtsdivision Hermann Göring zurück: Sie erschossen die Menschen in ihren Häusern und die Gläubigen, die in der Kirche gerade eine Messe feierten. Die Kirche brannten sie nieder.
Vor acht Jahren wurde der Unteroffizier Josef Milde für seine Beteiligung an der «Strafaktion» in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Kassationsgerichtshof in Rom entschied, Deutschland müsse den Angehörigen der Opfer eine Entschädigung von 800’000 Euro zahlen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag urteilte später jedoch, dieses Urteil sei nichtig.
Brutales Morden auf dem Rückzug
Wehrmacht und SS wüteten bei ihrem Rückzug aus Italien an vielen Orten. Bundespräsident Joachim Gauck hatte 2013 gemeinsam mit Italiens Staatschef Giorgio Napolitano an die Hunderten Toten eines Massakers im toskanischen Sant’Anna di Stazzema erinnert.
Seit einigen Jahren bemühen sich deutsche und italienische Politiker und Historiker darum, das dunkle Kapitel des Zweiten Weltkrieges aufzuarbeiten. So erinnert Anfang der kommenden Woche ein Historiker-Symposium daran, dass viele deutsche Kriegsverbrechen nie gesühnt wurden. Auch sollen Überlebende und Nachkommen des Massakers erstmals mit Nachkommen der Täter zusammenkommen.