Wer sich gegen die Verbreitung des Islams und für den Erhalt der Schweizer Leitkultur ausspricht, darf laut Bundesgericht nicht als Rassist bezeichnet werden. Nach Ansicht der Richter in Lausanne ist der Vorwurf sachlich falsch und persönlichkeitsverletzend.
Mit seinem Urteil hat das Bundesgericht eine Beschwerde der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) abgewiesen. Diese hatte 2009 auf ihrer Homepage unter der Rubrik „verbaler Rassismus“ einen Text über eine Kundgebung der Jungen SVP Thurgau für die Anti-Minarett-Initiative veröffentlicht.
„Verbaler Rassimus“
Bei der Veranstaltung vom 5. November 2009 in Frauenfeld hatte Benjamin Kasper als Präsident der kantonalen JSVP geäussert, dass es an der Zeit sei, der Ausbreitung des Islams Einhalt zu gebieten. Die Schweizer Leitkultur, die auf dem Christentum basiere, dürfe sich nicht von anderen Kulturen verdrängen lassen.
Ein symbolisches Zeichen wie das Minarettverbot sei ein Ausdruck für den Erhalt der eigenen Identität. Das Thurgauer Obergericht entschied im vergangenen November auf Klage von Kasper, dass er von der GRA durch die Einordnung seiner Rede in die Kategorie des „verbalen Rassimus“ in seiner Persönlichkeit verletzt worden sei.
Keine Herabsetzung
Das Bundesgericht hat diesen Entscheid nun bestätigt. Laut den Richtern in Lausanne steht zunächst fest, dass der Vorwurf des „Rassismus“ eine Person im Ansehen ihrer Mitmenschen empfindlich herabsetzt, weil ihr damit ein missbilligtes Verhalten vorgeworfen werde. In der Sache treffe der Vorwurf gegen Kasper nicht zu.
Das blosse Aufzeigen einer Verschiedenheit zwischen zwei Individuen oder Gruppen stelle noch keinen Rassismus dar. Dieser beginne erst dort, wo der Unterschied gleichzeitig eine Abwertung der Opfer bedeute und das Hervorheben von Unterschieden nur ein Mittel sei, die Opfer negativ darzustellen und deren Würde zu missachten.
Kasper habe das Eigene, nämlich das Christentum, dem Fremden in Form des Islams gegenübergestellt, es von diesem abgegrenzt und als schutz- und verteidigungswürdig bezeichnet. Daraus ergebe sich weder eine pauschale Herabsetzung der Angehörigen des Islams noch eine grundsätzliche Geringschätzung von Muslimen.
„Wir“ und „die Anderen“
Die Bewertung der Äusserungen von Kasper als „verbal rassistisch“ treffe daher nicht zu, sei nicht vertretbar und zeige den Politiker in einem falschen Licht. Daran ändere sich auch nichts, dass Personen, die sich wie hier in einer politischen Auseinandersetzung exponieren würden, grundsätzlich mehr in Kauf nehmen müssten.
Der besondere Rahmen bei solchen Aktivitäten gestatte zwar einen etwas grosszügigeren Massstab bei Ehrverletzungen. Die Verbreitung wahrheitswidriger Tatsachen oder die Veröffentlichung von sachlich unvertretbaren Werturteilen sei aber nicht zu rechtfertigen.
Die GRA hatte sich auf den Standpunkt gestellt, jede Gruppenbildung in ein „Wir“ und „die Anderen“ aufgrund von Religion, Hautfarbe, Rasse oder Abstammung bedeute Rassismus. Kasper habe mit seinen Äusserungen zudem klar zum Ausdruck gebracht, das er sein „Wir“ dem islamisch-„Anderen“ als hierarchisch übergeordnet betrachte.