Nicht alle Störche fliegen zum Überwintern in den Süden; einige bleiben hier und trotzen dem Schnee. In Basel wagt sich eine ganze Gruppe Weissstörche ständig mitten in die Stadt – in den grossen Schützenmattpark.
Für Quartieranwohner ist das gute Dutzend Störche ein gewohnter Anblick: Vor allem am Morgen stehen, picken und stolzieren die gut drei Kilo schweren Vögel mit zwei Metern Flügel-Spannweite und langen roten Beinen auf der grossen Wiese zwischen Old-Boys-Sportplatz, Strassen mit Busverkehr und Tramhaltestelle – manchmal nur zwei Meter neben dem Trottoir.
So sind diese Stadtstörche selbst unter den Schweizer Überwinterern Exoten, denn meist halten sich Störche lieber in freiem Gelände auf. Wenn aber wie jetzt auf den Feldern der Umgebung ungewöhnlich lange Schnee liegt und Eiseskälte herrscht, locken die relative Wärme der Stadt und die dort viel schneller wieder aperen Grünflächen.
Bitte nicht füttern
Dazu kommt, dass Leute aus dem Quartier sie manchmal aus Mitleid füttern. Davon rät die Vogelwarte Sempach jedoch ab, da Störche auch winters selber zurecht kämen, nicht von Menschen abhängig werden sollten und sonst in für sie suboptimalen Gebieten bleiben könnten. Normalerweise leben sie primär von Mäusen, Würmern und Fröschen.
Die Vogelwarte führt das untypische Überwintern in der Schweiz auf ein Wiederansiedlungsprojekt der 1950er-Jahre zurück – zuvor waren die Störche hier ausgestorben. Einige Individuen seien ganzjährig in der Nähe der Auswilderungsorte geblieben, statt nach Südspanien oder Afrika zu fliegen. Andere haben das Verhalten bis heute übernommen.
Zolli-Effekt
In Basel kommt der Zoologische Garten dazu, der sehr zentral liegt und seit langem Störche beherbergt – die allermeisten als freie Gäste. Dort brüten im Frühling auch einige Störche, wovon sie sich von den «Zolli»-Besuchenden rundum nicht abhalten lassen. Der Zoo liegt nur gut 500 Meter vom Schützenmattpark entfernt.
Vor ein paar Jahren habe ein erstes Storchenpaar im Sommer begonnen, in diesem Stadtpark Nahrung zu suchen, sagt Bruno Gardelli, Zoo-Mitarbeiter und Vorstandsmitglied beim Verein Storch Schweiz. Andere Störche – in der Umgebung von Basel hat es eine grössere Population – taten es ihnen gleich, und Futter sei offenbar da.
Früher hatte auch der Zolli «seine» Störche im Winter gefüttert. Seit er darauf verzichtet, sei die Zahl der weissen Fressgäste von einst bis zu 30 auf heute noch ein gutes halbes Dutzend zurückgegangen, heisst es auf Anfrage. Gut denkbar, dass einige davon in den nahen Park umgezogen sind.
Keine Angst vor Hunden
Hunde seien für gesunde Störche mit ihrem langen kräftigen Schnabel übrigens kein Problem – notfalls flögen die Wintergäste einfach davon. Umgekehrt hätten auch kleine Kinder kaum etwas zu befürchten, sagt Gardelli weiter, da die Vögel normalerweise auswichen, wenn man ihnen zu nahe kommt.
Wenn in den nächsten Tagen mit steigenden Temperaturen der Schnee in der Region Basel schmilzt, dürften die langbeinigen Gäste wieder seltener werden. Landesweit registrierte die Vogelwarte 2015 einen Bestand von rund 400 Paaren in der warmen Jahreszeit.
Dass Störche anpassungsfähig sind, belegen auch jene, die auf dem Weg in den Süden auf spanischen Mülldeponien hängen bleiben: Da ist Futter einfacher zu haben als in Afrika. Nun bemüht sich die EU um die Aufhebung jener offenen Deponien. In Afrika fressen Störche unter anderem Heuschrecken, was Getreide und Viehweiden schützen hilft.