Strategische FCB-Züge und das YB-Signal

Mit einem weiteren ungefährdeten FCB-Solo ist in der heute beginnenden Super-League-Saison nicht mehr zu rechnen. YB hat aufgerüstet, die Berner betrachten sich nicht grundlos als zweiten Keyplayer.

YB-Trainer Uli Forte gibt sich zurückhaltend: «Grosse Reden bringen gar nichts.» (Bild: SI)

Mit einem weiteren ungefährdeten FCB-Solo ist in der heute beginnenden Super-League-Saison nicht mehr zu rechnen. YB hat aufgerüstet, die Berner betrachten sich nicht grundlos als zweiten Keyplayer.

Dass der FC Basel praktisch in jedem Sommer mehrere Schlüsselspieler verliert, gehört zum profanen Umbauprogramm wie der in jüngerer Vergangenheit schon fast obligate Trainerwechsel. Urs Fischer ist der fünfte neue Taktgeber innert vier Jahren. Für die Konkurrenz besteht allerdings keinerlei Anlass, Luftsprünge einzustudieren. Die Bebbi haben neben dem Terrain einen siebten Sinn für richtige Personalentscheide entwickelt. Der Rekordhalter ist nach sechs Titelgewinnen in Serie für alle der Massstab.

Auf den Rückzug ihrer Ikone Marco Streller und die Abgänge der Stammspieler Fabian Frei und Fabian Schär reagierte die Führungscrew mit strategisch cleveren Zuzügen. Fischer mit seiner FCZ-Vergangenheit steht zwar nicht für rotblaue Folklore, wird den Titelhalter aber weitaus hörbarer dirigieren als sein nur schwer greifbarer Vorgänger Paulo Sousa. Und im Sog des energischen Rückkehrers Zdravko Kuzmanovic dürften auch die übrigen neuen Protagonisten aus Island, Dänemark und Österreich eher früher als später Spuren hinterlassen. Fischer fasst die FCB-Substanz so zusammen: «Die Mannschaft ist sehr gut zusammengesetzt.»

Ambitionierte Verfolger

Dem internationalen Flair des Liga-Dominators hält YB eine organisch gewachsene Einheit entgegen. Die Stadtberner sehnen das Ende der bald 30-jährigen Dürreperiode ohne Meistertitel herbei. Die Investoren-Familie Rihs liess launigen Worten («Es geht einfach nicht, dass wir Basel so allein lassen») eine teure Shopping-Tour in Lissabon folgen: Loris Benito und Miralem Sulejmani, für den Ajax vor ein paar Jahren die holländische Rekordsumme von 25 Millionen ausgelegt hat, sind im Zusammenhang mit der neuen Angriffslust von YB zwei der wichtigsten Hauptdarsteller.

Uli Forte steht im dritten Jahr mehr denn je unter Druck. Der 19. Coach seit dem letzten Meisterstück von Alexander Mandziara soll die Serie der Enttäuschungen stoppen. Das Umfeld hält das grosse YB-Comeback nicht erst seit der jüngsten Aufwertung des Kaders zeitnah für möglich. «Alle lechzen nach dem ganz grossen Coup. Die Fans dürfen und sollen auch so denken. Wir hingegen müssen cool bleiben», tritt Forte auf die Euphoriebremse. Nach fast drei Dekaden ohne Trophäe hält der Trainer eine gewisse Zurückhaltung für angemessen. «Grosse Reden bringen gar nichts.»

Ähnlich wie YB hält es der FC Zürich. Ruhe statt kapriziöse Auftritte, Härte dank dem Ex-Basler Cabral statt nur Spektakel. Degradierungen und ein weiterer Coup de Théâtre auf der Goalieposition zur Unzeit sollen vermieden werden. Urs Meier steht unter genauer Beobachtung seines Vorgesetzten. Einen zweiten kolossalen Einbruch wie nach der Winterpause wird Patron Ancillo Canepa nicht mehr tolerieren. Eine erneute mehrmonatige Heimflaute will sich der Mehrheitsaktionär nicht mehr leisten. Innert fünf Jahren verlor der FCZ 40’000 Zuschauer. Gelingt der Turnaround im Sportbereich nicht, wird der FCZ nicht nur seine Talente zum Verkauf anbieten.

Angriff à la Sion

Die Demontage des FCB im Cupfinal hallt nach. Das 3:0 gegen die nationale Nummer 1 hat verdeutlicht, welches Potenzial beim FC Sion mittlerweile vorhanden ist. Das bemerkenswert austarierte Team ist auf nahezu allen Position gut dotiert. In jeder Achse kommen international valable Professionals zum Zug. Der senegalesische Nationalspieler Moussa Konaté beispielsweise, ein erstklassiger Last-Minute-Transfer des letzten Sommers, gehört zu den Attraktionen der Liga.

Klubeigner Christian Constantin konzentriert sich nach teilweise chaotischen Jahren im Sinne aller Involvierten auf das Wesentliche. Früher hat der unberechenbare Präsident jeden Penaltyentscheid persönlich genommen und hat er regelrechte Prozesswellen ausgelöst, seit geraumer Zeit orchestriert er den Verein in gemässigterer Form.

Der offensichtlich gut beratene «CC» hat zudem überdurchschnittlich gut eingekauft – nicht nur Konaté, auch Rückkehrer Carlitos, vor der letzten Rückrunde Reto Ziegler, den Ex-GC-Captain Veroljub Salatic, Montenegros Internationalen Elsad Zverotic. Die Aufwertung ist spür- und sichtbar, der neue Tscheche Martin Zeman wird sie fortsetzen. Verkäufe sind keine geplant, auch Konaté ist wieder eingerückt. Unter zehn Millionen Franken lässt Boss Constantin seinen Topmann ohnehin nicht ziehen.

Die Konkurrenz hat die Fortschritte der Westschweizer registriert, YB-Coach Forte rechnet mit ihnen. «Sion ist für mich ein gewichtiger Anwärter auf den Titel.» Dass Spieler wie Beg Ferati, vormals Titular beim FCB, und Australiens WM-Teilnehmer Dario Vidosic den Kaderschnitt nicht überstanden haben, ist ein weiteres Indiz für das gehobene Niveau.

Weniger konfuse GC-Führung?

Auf dem GC-Campus dürfte die Eindämmung der negativen Schlagzeilen Priorität haben. Die Spitze des Rekordmeisters handelte innerhalb der letzten zwölf Monate weitgehend konfus. Interne Machtkämpfe legten die Stadtzürcher phasenweise lahm: Erst das endlose Theater um den rebellierenden Salatic, dann die Unstimmigkeiten im Verwaltungsrat, der Rückzug von Sponsoren, der Abgang von Michael Skibbe – und als missratene Schlusspointe der teure Rauswurf des Sportchefs Axel Thoma nach nur sieben Monaten.

Nur einer arbeitete ruhig und gemessen an den Umständen gar nicht einmal so schlecht: Pierluigi Tami, der leise, aber zielstrebige Tessiner, besonnen wie kaum ein anderer im Zirkel der Grasshoppers. Ihm kommt entgegen, dass mit dem vermögenden Volero-Präsidenten Stav Jacobi und drei weiteren namhaften Persönlichkeiten (Jurist Andras Gurovits, Unternehmer Hans-Peter Domanig und GC-Allrounder Georges Perego) smarte Köpfe im Verwaltungsrat Einsitz nehmen.

Die Finanzpipeline ist wieder geöffnet. Ein serbischer U20-Weltmeister gehört neu zum Kader. Und nur der glorreichen GC-Vergangenheit wegen wäre Kim Källström nicht zu einem Transfer zu bewegen gewesen. Lediglich drei haben in der Geschichte Schwedens mehr Länderspiele bestritten als der 121-fache Internationale, der nach wie vor zum Stamm der Auswahl um Zlatan Ibrahimovic gehört.

Zeman und sonst?

Hinter den Big Five setzen die Klub-Dirigenten abseits der Ballungszentren teilweise auf illustre Köpfe. In Thun steigt der ehemalige Bayern-Star Ciriaco Sforza erstmals seit seiner schmerzhaften Trennung von GC wieder in den Super-League-Ring. Die Berner Oberländer Europacup-Teilnehmer erzielten seit ihrem Aufstieg 2010 gemessen am knappen Budget ausnahmslos den maximalen Ertrag.

Im Tessin rollten die Tifosi dem bekanntesten Kettenraucher Italiens einen roten Teppich aus: Zdenek Zeman, 68, ein alter Mann mit der Aura Ottmar Hitzfelds und einem taktischen Plan. 13 Vereine in der Serie A, B und C coachte er, darunter beide Römer Klubs. Mit Foggia bedrängte der «Mister» in den frühen Neunzigern das Establishment. Kein Wunder also, dass sich plötzlich auch der Sonderkorrespondent der «Gazzetta dello Sport» für Geschichten aus dem Cornaredo interessiert. Die Frage ist nur, wann das Interesse schwindet. Insider des Klubs befürchten schon bald einen Kollaps. Vor der Promotion waren die Bianconeri personell besser bestückt. Vielleicht lässt Zeman die ausgedünnte Equipe deshalb schon die dritte Woche in Folge ohne Ruhetag schuften.

Dass Luzern derzeit keine Schlagzeilen produziert, ist für die Innerschweizer und ihre oftmals aufgeregte Entourage im Prinzip ein gutes Zeichen. Markus Babbel, der gradlinige, robuste und geerdete Ex-Bayern-Verteidiger, hat den FCL vom letzten Platz unter die Top 5 geführt. Keiner der verschiedenen Strippenzieher aus der Fasnachtshochburg stellt ihn ernsthaft infrage.

St. Gallen bemisst noch immer den wirtschaftlichen Spielraum und flirtet seit Wochen mit Tranquillo Barnetta. Die Ostschweizer bewegen sich in den engen Grenzen der finanziellen Vernunft. Der laute, aber nicht masslose Anhang hat mit Rückschlägen zu rechnen. Vaduz dürfte den FCSG nicht überholen, aber dank kluger Transferpolitik ist in der Liechtensteiner Super-League-Filiale kein vorzeitiger Schalterschluss zu befürchten.

Super League. Spielplan 2015/16. 1. Runde. Samstag, 18. Juli. 17.45 Uhr: Luzern – Sion. 20.00 Uhr: Zürich – Young Boys. – Sonntag, 19. Juli. 13.45 Uhr: Basel – Vaduz, Thun – Grasshoppers. 16.00 Uhr: St. Gallen – Lugano.

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