Streit um Auslegung der Initiative für eine Einheitskasse

Kaum steht der Abstimmungstermin zur Initiative für eine öffentliche Krankenkasse fest, ist ein Streit um die Auslegung des Verfassungstextes entbrannt. Die Gegner der Initiative haben am Freitag den Abstimmungskampf mit einem Gutachten eröffnet.

Jacqueline Fehr spricht von einem Lapsus bei der Übersetzung (Bild: sda)

Kaum steht der Abstimmungstermin zur Initiative für eine öffentliche Krankenkasse fest, ist ein Streit um die Auslegung des Verfassungstextes entbrannt. Die Gegner der Initiative haben am Freitag den Abstimmungskampf mit einem Gutachten eröffnet.

Das Fazit des Gutachters: Die Initiative ist so formuliert, dass künftig tiefere Prämien für Kinder und junge Erwachsene sowie Prämienrabatte für alternative Versicherungsmodelle oder hohe Franchisen nicht mehr möglich wären. Namentlich für Familien würden damit die Krankenkassenprämien stark ansteigen.

Die Initianten streiten dies ab. Die Volksinitiative «für eine öffentliche Krankenkasse» verlangt, dass die obligatorische Grundversicherung in Zukunft von einer einzigen Krankenkasse angeboten wird, einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Im Initiativtext steht, dass für jeden Kanton «eine einheitliche Prämie» festgelegt würde.

Keine Prämienabstufungen mehr

Aus Sicht von Gutachter Ueli Kieser schliesst dies nicht nur die Möglichkeit von verschiedenen Prämienregionen innerhalb der Kantone aus, sondern auch alle anderen Prämienabstufungen. Die Höhe der Prämie würde sich für alle einzig nach versicherungsmathematischen Kriterien berechnen, sagte Kieser.

In der französischsprachigen Version – jener, welche die Initianten zur Vorprüfung eingereicht hatten – ist von einer «einheitlichen Prämie» nicht die Rede. Dort steht: «Les primes sont fixées par canton.» Auch die italienischsprachige Version enthält kein «einheitlich». Ausschlaggebend sei nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aber die spezifischere Version, also die deutschsprachige, erklärte Kieser.

«Abenteuerliches Gutachten»

Die Initianten räumen ein, dass der Unterschied zwischen den Sprachen ein Lapsus ist. Die Übersetzung sei ungenau, sagte die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr, die im Initiativkomitee sitzt, gegenüber Journalisten. Die Schlussfolgerungen, die die Gegner daraus zögen, seien aber unhaltbar – das Gutachten sei «abenteuerlich».

Laut Fehr wären tiefere Prämien für Kinder und junge Erwachsene und Prämienrabatte für hohe Franchisen oder besondere Versicherungsmodelle bei einem Ja zur Initiative «selbstverständlich» noch möglich. Einzig verschiedene Prämienregionen innerhalb von Kantonen würde es nicht mehr geben.

Es sei schwer vorstellbar, dass das Parlament bei einem Ja zur Initiative die schlechtest mögliche Form der Umsetzung wählen würde, gibt Fehr zu bedenken. Die Initianten wollen nun abwarten, wie sich Bundesrat Alain Berset dazu äussert, wenn er zur Einheitskasse vor die Medien tritt. Sollte das Gutachten der Gegner ernst genommen werden, würden sie ein eigenes Gutachten in Betracht ziehen.

Über die Initiative wird am 28. September abgestimmt.

Nächster Artikel