In der Schweiz sterben jedes Jahr Dutzende Menschen, weil es an Spenderorganen fehlt. Die Organspenderate ist im internationalen Vergleich tief. Nun hat ein Forscherteam die Umstände genauer untersucht, unter denen Angehörigen einer Organentnahme zustimmen.
Die Daten dazu stammen aus der Studie SwissPOD (Swiss Monitoring of Potential Donors), die seit 2011 die Anzahl potenzieller Organspender ermittelt, die auf insgesamt 76 Intensivstationen in der Schweiz sterben. Für die aktuelle Studie wurden alle Todesfälle zwischen dem 1. September 2011 und dem 31. August 2012 begutachtet.
Unter diesen fanden die Wissenschaftler der Stiftung Swisstransplant und des Clinical Trial Unit der Universität Bern 266 Fälle, in denen die Angehörigen um Zustimmung zur Organentnahme angefragt wurden. Diese Zusage ist in der Schweiz vorgeschrieben, wenn der Wille des Verstorbenen dazu unbekannt ist.
In 137 Fällen stimmten die Hinterbliebenen zu, in 129 Fällen lehnten sie ab, wie das Team im Fachjournal «PLOS One» berichtet. Die Auswertung bestätigt frühere Studienergebnisse: Schweizer Bürger stimmten eher zu als in der Schweiz lebende Ausländer; in der Romandie und im Tessin war die Zustimmung höher als in der Deutschschweiz.
Zeitpunkt entscheidend
Entscheidend sei zudem der Zeitpunkt der Anfrage, schreiben die Forscher. Ihre Daten deuten darauf hin, dass die Angehörigen eher Ja sagten, wenn sie vor der endgültigen Feststellung des Hirntodes gefragt wurden. Nach dem Schweizer Gesetz dürfen sie jedoch erst danach auf Organspende angesprochen werden.
Viele Angehörige schnitten das Thema jedoch von sich aus an, schreiben die Autoren. In der derzeit laufende Teilrevision des Transplantationsgesetzes ist vorgesehen, künftig frühere Anfragen zu ermöglichen. Dies ist entscheidend, da gewisse vorbereitende medizinische Massnahmen notwendig sein können, damit ein Organ entnommen werden kann.
Es spielt ebenfalls eine Rolle, wen die Ärzte fragen: Eltern stimmten einer Organentnahme eher zu als Ehegatten oder andere Verwandte. Viele Eltern fänden womöglich Trost darin, dass etwas Positives aus dem Tod ihres Kindes resultiere, schreiben die Autoren.
Die Angehörigen stimmten ausserdem einer Organentnahme eher zu, wenn etwas Zeit zwischen der Mitteilung des Hirntodes und der Anfrage auf Organspende lag. Hinterbliebene, die sich unter Druck gesetzt fühlten, stimmten weniger häufig zu.
Sterben auf der Warteliste
Die Beweggründe der Angehörigen zu untersuchen sei entscheidend, da ihre Zustimmung unter Umständen für eine Organentnahme obligatorisch ist, betonen die Forscher. Doch nur jeder Zweite stimme dieser zu, obwohl die meisten Schweizerinnen und Schweizer der Organspende gemäss Umfragen grundsätzlich positiv gegenüber stehen.
Dennoch ist hier zu Lande die Spenderate laut Swisstransplant im Schnitt halb so hoch wie in den Nachbarstaaten. Die Folge: 73 Patienten verstarben im Jahr 2013, während sie auf ein Organ warteten. 110 Personen spendeten im selben Jahr Organe, während weiterhin 1274 Patienten auf insgesamt 1316 Organe warteten.