Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zeichnet sich eine Lösung ab. Der Nationalrat hat am Montag das Konzept des Ständerats in den Grundzügen übernommen. Die Firmen sollen aber weniger administrativen Aufwand haben.
Der Ständerat hatte letzte Woche eine Art Vorzugsbehandlung für inländische Stellensuchende beschlossen. Dadurch und durch gewisse administrative Hürden soll der Hunger der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften gedämpft werden.
Der Nationalrat, der sich zunächst für eine blosse Stellenmeldepflicht ausgesprochen hatte, ist der kleinen Kammer nun im Grundsatz gefolgt. Der administrative Aufwand für die Unternehmen schien der Mehrheit jedoch zu gross. Mit 139 zu 54 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschloss der Nationalrat, die Begründungspflicht zu streichen. Das Resultat des Bewerbungsgesprächs muss der Arbeitsvermittlung bloss mitgeteilt werden.
Spielraum für Arbeitgeber
Zugestimmt hat der Nationalrat aber der Stellenmeldepflicht in Berufsgruppen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit sowie dem exklusiven Zugang inländischer Arbeitsloser zu den Inseraten. Auch sollen Arbeitgeber geeignete Stellensuchende zum Bewerbungsgespräch einladen. In diesem Punkt schuf der Nationalrat mit seiner Formulierung eine Differenz zum Ständerat.
Die kleine Kammer hatte sich nämlich dafür ausgesprochen, dass Stellensuchende von der Arbeitsvermittlung zugewiesen werden können. Cédric Wermuth (SP/AG) warb dafür, diese Lösung zu übernehmen. Nur so hätten ältere Arbeitslose überhaupt eine Chance, wieder zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
Der Nationalrat beschloss weitere punktuelle Änderungen. So sollen die Massnahmen zu Gunsten Arbeitsloser nicht nur auf betroffene Berufsgruppen und Tätigkeitsbereiche, sondern auch auf Wirtschaftsregionen beschränkt werden können. Das entspreche einem Wunsch der Kantone, sagte Isabelle Moret (FDP/VD). Zwischen den Regionen gebe es grosse Unterschiede.
Bei Problemen mit Grenzgängern sollen sich besonders betroffene Kantone an den Bundesrat wenden können. Dieser soll auch Ausnahmen von der Stellenmeldepflicht machen können, besonders für Familienunternehmen.
Gegen Konfrontation mit der EU
Abgelehnt hat der Nationalrat die Möglichkeit, Massnahmen im Widerspruch zum Freizügigkeitsabkommen zu beschliessen, sofern keine Einigung mit der EU möglich ist. Als souveränes Land dürfe die Schweiz Abhilfemassnahmen in ausserordentlichen Situationen ergreifen, sagte Marco Romano (CVP/TI). Das Freizügigkeitsabkommen werde dadurch nicht verletzt.
Ruth Humbel (CVP/AG) sprach von einer «ultima ratio». So weit komme es gar nicht, wenn die Wirtschaft den Inländervorrang praktiziere. Die Mehrheit hielt aber nichts davon, die bilateralen Verträge für eine halbherzige Umsetzung der Initiative aufs Spiel zu setzen. Das Parlament könne das Abkommen ohnehin jederzeit verletzen, erklärte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Das ins Gesetz zu schreiben, führe nur zu Rechtsunsicherheit.
Die SVP wollte die Initiative mit Kontingenten und einem echten Inländervorrang umsetzen. Gregor Rutz (SVP/ZH) bezeichnete die Lösung der Mehrheit als «bedingungslose Kapitulation vor der EU». Sogar der Bundesrat gebe inzwischen zu, dass die Lösung der Mehrheit verfassungswidrig sei. Die Mehrheit lehnte die SVP-Anträge aber ab.
Auch der Antrag scheiterte, dass nur Stellensuchende mit Wohnsitz in der Schweiz in Genuss der Vorzugsbehandlung kommen sollen. Natalie Rickli (SVP/ZH) warnte vergeblich, dass sonst auch stellensuchende EU-Bürger und Grenzgänger profitieren würden. «Völlig absurd», sagte sie.
Weiter Weg
Die Differenzbereinigung muss Ende nächster Woche abgeschlossen sein. Die Schlussabstimmung findet am letzten Tag der Wintersession statt. Bis am 9. Februar 2017 muss die SVP-Initiative umgesetzt werden. Das verlangt die Verfassung und ist Bedingung für die Teilnahme der Schweiz an der EU-Forschungszusammenarbeit Horizon 2020.
Das letzte Wort ist damit nicht gesprochen. Offen ist, ob die SVP das Referendum gegen die Umsetzung ergreift. Weiter ist die Rasa-Initiative hängig, die den Zuwanderungsartikel aus der Verfassung streichen will. Nach dem Willen des Bundesrats soll ein Gegenvorschlag dazu Gesetz und Verfassung wieder in Einklang bringen.