Für die SVP ist mit der Wahl des ersten SVP-Bundesrats aus der Suisse Romande die Konkordanz wiederhergestellt. Die Wahl des Westschweizers Guy Parmelin bedeute für die Partei einen wichtigen Meilenstein, heisst es in einer Mitteilung der SVP.
Parteipräsident Toni Brunner äusserte sich sehr zufrieden mit der Wahl. Die SVP könne damit ihre Präsenz in der Westschweiz besser markieren. Parmelin sei ein Mensch, mit dem man sehr gut zusammenarbeiten könne. «Er beherrscht die Dossiers», sagte Brunner. Zur Beantwortung der Frage, welches Departement Parmelin übernehmen solle, sei es noch zu früh, sagte der Parteipräsident.
Die SVP wünsche ihrem neuen Bundesrat Guy Parmelin und ihrem bisherigen Bundesrat Ueli Maurer viel Erfolg, Kraft und Freude bei der Zusammenarbeit in ihrer Tätigkeit zugunsten der Schweiz.
Der Wettbewerb der Meinungen gehöre zum Konkordanzsystem, schreibt die SVP. In Anbetracht der europaweiten Migrationskrise, einer erhöhten Bedrohungslage und einer schwierigen wirtschaftlichen Situation sei die Regierungsbeteiligung der vier grössten Parteien des Landes gemäss ihrer Wählerstärke wichtig, heisst es.
Müller: SVP in Pflicht nehmen
SP-Präsident Christian Levrat zeigte sich nach der Wahl von Parmelin in den Bundesrat nicht begeistert: «Man kann nur hoffen, dass sich Parmelin in seinem Amt weiterentwickelt», sagte Levrat im Fernsehen SRF.
Der SP-Präsident äusserte Zweifel daran, dass die SVP mit dieser Wahl ihre Oppositionsrolle aufgeben und weniger populistisch weiterarbeiten wird. Die SVP müsse nun Verantwortung übernehmen, sagte er.
Auch FDP-Präsident Philipp Müller sagte im Fernsehen, dass die SVP beim Wort und in die Pflicht genommen werden müsse. Für Parmelin werde es sicher nicht einfach sein, mit seiner Partei zusammenzuarbeiten.
«Wir werden ihn daran erinnern, dass er von der Bundesversammlung mit einer grossen Verantwortung ausgestattet wurde und für das ganze Volk da sein muss.» Was die Qualitäten von Parmelin anbelange, so sei er optimistischer als Levrat, der dessen Qualitäten anzweifelte.
CVP-Präsident Christophe Darbellay äusserte sich positiv überrascht darüber, dass das Resultat so schnell und so klar zustande gekommen ist. Er sei überzeugt, dass sich der neu gewählte Bundesrat Guy Parmelin entwickeln könne.
Vertreter der «alten» SVP
Für den Politologen Adrian Vatter ist der neu gewählte Bundesrat Guy Parmalin ein Zentrist. Er gehöre eigentlich zur «alten» SVP der 1980er-Jahre und nicht zur neuen SVP, sagte Vatter dem Fernsehen SRF.
Wenn man die Entwicklung der Westschweizer SVP-Sektionen anschaue, so sei gerade die Waadtländer SVP – obwohl es auch bei ihr einen Rechtsrutsch gegeben habe – eine Sektion, die viel stärker auch gegen die Mitte politisiere. Das werde sich auch bei Parmelin ausdrücken, wenn er im Bundesrat aktiv sei.
Die Hoffnung im Parlament sei, dass er eher fähig sei, kollegiale Lösungen zu treffen. Denn man müsse Kompromisse finden untereinander: Dazu brauche es diesen Typus von Politiker.
Generell sei die Begeisterung über die Bundesratswahlen als Folge der Ausschlussklausel allgemein klein. Vatter rechnet damit, dass die regionale Verteilung noch zu Diskussionen führen wird. Die Westschweiz sei zu stark vertreten. Solche Phase habe es allerdings schon im 19. Jahrhundert und auch vor ein paar Jahren schon gegeben.
Faire Verlierer
Als fairer Verlierer gab sich nach seiner Wahlniederlage der SVP-Bundesratskandidat Thomas Aeschi. «Die SVP ist nun wieder mit zwei Vertretern im Bundesrat vertreten. Dies entspricht dem Wählerwillen», sagte der Zuger gegenüber Fernsehen SRF.
Über die Wahl des SVP-Vertreters Parmelin zeigte sich Aeschi zufrieden: Er erhoffe sich, dass die SVP durch die Wahl des Waadtländers in den Bundesrat in der Westschweiz an Wählerpotenzial zulegen könne.
Auch der unterlegene Kandidat Norman Gobbi zog eine positive Bilanz. Die 50 Stimmen im ersten Wahlgang seien ein gutes Ergebnis, sagte er unmittelbar nach der dritten und entscheidenden Wahlrunde vor den Kameras des Tessiner Fernsehens RSI. «Ich sehe dies als Zeichen des Respekts für das Tessin.»
Der vierwöchige Wahlkampf in Bern habe ihm eine neue Welt eröffnet, so der Lega-Staatsrat. Es sei eine sehr wichtige Erfahrung für ihn gewesen – er kehre nun gestärkt ins Tessin zurück.
Gemischte Gefühle im Tessin
Im Tessin gingen die Reaktionen auf die Nicht-Wahl Gobbis auseinander. «Wir sind sehr enttäuscht», sagte Daniele Caverzasio, Lega-Fraktionschef im Tessiner Grossen Rat, auf Anfrage. Die «nationale Einheit» der Schweiz sei abermals nicht respektiert worden.
Enttäuscht zeigte sich auch der Gemeindepräsident von Quinto TI, Gobbis Heimatgemeinde. Der Tessiner Staatsrat habe sich hervorragend in Bern verkauft und ohne grosses Netzwerk den Wahlkampf gut bewältigt, sagte Valerio Jelmini (FDP) auf Anfrage. Er bedaure, dass sich die Leventina in der Person von Norman Gobbi künftig nicht noch mehr Gehör in Bern verschaffen könne.
Die Tessiner Kantonsregierung sieht bei der verpassten Wahl Gobbis mehr Licht als Schatten: Die italienische Schweiz habe durch die Kandidatur ihres Staatsratskollegen «verstärkte Aufmerksamkeit» für ihre kulturelle Identität und sozio-ökonomischen Eigenheiten bekommen, schrieb der Vize-Präsident der Regierung Paolo Beltraminelli (CVP) in einem Communiqué.
Durchwegs erleichtert zeigte sich dagegen Paolo Bernasconi. Der Tessiner Ex-Staatsanwalt sprach Gobbi im Vorfeld jegliche Regierungstauglichkeit auf nationaler Ebene ab. Mit der Kandidatur Gobbi sei die «Konkordanz, Kollegialität, Mediationsfähigkeit» der Schweiz aufs Spiel gesetzt worden, sagte Bernasconi auf Anfrage.