Zur Stärkung der Volksrechte und weil die Volkswahl der Regierung in den Kantonen funktioniert, soll sie nach Ansicht der SVP auch auf Bundesebene eingeführt werden. Die Partei hat am Montag ihre Abstimmungskampagne für die Volkswahl des Bundesrates eröffnet.
Die Wahl der Regierung durch das Volk sei in der Schweiz der Normalfall, stellte SVP-Präsident Toni Brunner vor den Medien in Bern fest. Es gebe keinen Grund, warum das beim Bundesrat anders sein solle. Jedes Argument gegen die Volkswahl des Bundesrates sei «Unsinn», weil es auch gegen die kantonalen Wahlen gelten müsste.
Die SVP setzt stark auf ihre vom Volk gewählten Exekutivpolitiker. Er fühle sich unabhängiger in der täglichen Arbeit, weil er vom Volk gewählt sei, sagte der Zürcher SVP-Regierungspräsident Markus Kägi. «Ich kann sachbezogene Beschlüsse fällen, und ich muss keine Rücksicht auf Taktik und Sonderinteressen nehmen.» Im Bundesrat würden kaum andere Regeln gelten.
Kritik an der Bundesratsarbeit
Dem Bundesrat wirft die SVP vor, die drängendsten Probleme nicht anzupacken, weil er dem Volk nicht direkt verantwortlich ist. Die Volkspartei verweist unter anderem auf die lange dauernde Umsetzung ihrer Ausschaffungsinitiative. Das zeuge davon, «wie politische Entscheidungsträger dem Volk zunehmend misstrauen».
«Es ist an der Zeit, den Bundesrat in die Pflicht zu nehmen», sagte Brunner. Wer die Volkswahl ablehne, habe offenbar Angst vor dem Volk. Demgegenüber wirbt die SVP mit dem Slogan «Dem Volk vertrauen» für ihre Initiative, die sie als Vertrauensbeweis ans Volk sieht. Die Mitsprache des Volkes müsse gestärkt werden; aus Sicht der SVP wird sie derzeit eher geschwächt.
Projekt vor Blocher-Abwahl aufgegleist
Lanciert hatte die SVP die Initiative als Reaktion auf die Abwahl ihre damaligen Bundesrats Christoph Blocher 2007. Brunner vermied jeglichen Bezug auf das Ereignis und wies darauf hin, dass sich die SVP schon seit den 1990er-Jahren Gedanken zur Volkswahl mache. Über 70 Jahre nach der letzten Abstimmung zum Thema sei es an der Zeit, dass sich das Volk am 9. Juni wieder einmal dazu äussern könne.
Die «kleine Kompetenzverschiebung» zu Gunsten des Volkes verhindere die heute gängigen «Ränkespiele» im Parlament vor Bundesratswahlen, sagte Brunner. Gerade bei der SVP sei es den anderen Parteien oft darum gegangen, jene Person zu wählen, welche die Partei gerade nicht wolle. Er nannte alt Bundesrat Samuel Schmid als Beispiel.
Mehr Zusammenhalt
Der Bundesrat und die Gegner der Initiative befürchten, dass das Tessin und die Westschweiz durch die Wahlregeln benachteiligt würden, da für sie fix zwei Sitze reserviert sind. Das Tessin wäre auf den guten Willen der Romandie angewiesen, um wieder einmal einen Regierungssitz zu erhalten, wird kritisiert.
Diese Bedenken versuchte die SVP zu zerstreuen. Heute gebe es gar kein Recht auf Sitze für die Sprachminderheiten, sagte Nationalrat Guy Parmelin (VD). Da sich Westschweizer Politiker für eine Volkswahl vermehrt auch in der Deutschschweiz bekannt machen müssten, würde aus seiner Sicht der Zusammenhalt im Land gestärkt.
Der Berner SVP-Justizdirektor Christoph Neuhaus erinnerte daran, dass die in der Initiative vorgesehene Berechnungsformel in seinem Kanton zur Sitzgarantie für den Berner Jura in fast 20 Jahren noch nie habe angewandt werden müssen. Die Parteien hätten jeweils starke Kandidaturen aus dem Berner Jura aufgestellt.
Rund eine Million
Nichts wissen will die SVP davon, im Gegenzug für die Volkswahl die Finanzierung von Abstimmungs- und Wahlkampagnen offenzulegen, wie es die Linke fordert. Die Initiative solle nicht mit weiteren Forderungen belastet werden, sagte Brunner. Die SVP, die als finanzkräftigste Partei gilt, lehnt Transparenzvorschriften ab.
Offengelegt hat die Partei jedoch die Kosten für ihren Abstimmungskampf. Er soll rund eine Million Franken kosten, es werde aber noch gesammelt, sagte Brunner. Nach Angaben der Partei ist der Mitteleinsatz damit ähnlich hoch wie bei der letzten Abstimmung, als die SVP gegen den Familienartikel kämpfte.