Nach den Schweizer Banken ist es auch bei der Swisscom zu einem grossen Datenleck gekommen. Aufgedeckt hat die Affäre die NZZ. Die Swisscom spricht von Diebstahl. Bisher hat es keine Erpressungsversuche gegeben. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall.
Aus zwei Rechenzentren der Swisscom in Ostermundigen BE sind Datenbänder verschwunden, die eigentlich zur Vernichtung bestimmt waren, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) am Mittwoch enthüllte. Die Zeitung, die den Telekomkonzern auf den Verlust aufmerksam machte, hatte mehrere Bänder vor einigen Monaten zugespielt erhalten – ohne nähere Informationen zum Besitzer der Bänder und zu deren Inhalt.
«Wir haben die Datenbänder bekommen, ohne irgendwelche Gegenleistungen zu geben», sagte NZZ-Reporter Andreas Schmid im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Der Informant scheine die Kassetten nicht andernorts angeboten zu haben.
Die Abklärungen seien langwierig und aufwendig gewesen, schreibt Schmid in der NZZ. «Die vorhandenen Bänder, die ich hatte, habe ich der Swisscom zurückgegeben», sagte Schmid. Laut der Swisscom sind dies drei Datenbänder.
Noch fehlen Daten
In weitere Daten habe er Einblick gehabt, erklärte Schmid. Diese stammen laut der Swisscom von einem weiteren Band. «Die Swisscom setzt alles daran, auch in den Besitz dieser fehlenden Daten zu kommen», schreibt der Telekomkonzern seinerseits in einem Communiqué. Die Swisscom geht davon aus, dass die vier Datenbänder gestohlen worden sind.
Laut der Zeitung wurden die Bänder zwischen Oktober 2008 und Mai 2010 mit Sicherungskopien bespielt. Darauf sind unter anderem über 14’500 Emails aus den Jahren 2002 bis 2008 gespeichert. Zudem liessen sich Verträge mit Privat- und Geschäftskunden, Angaben zu Bestellungen und Telefonanschlüssen sowie Verrechnungsaufträge finden.
Auch 600’000 Nummern aus dem Directories-Telefonbuch seien auf einem Tape abgelegt, zum Teil mit weiteren Angaben, schreibt die NZZ. Im weiteren gebe es Absagen auf Blindbewerbungen und Mitteilungen zu Entlassungen von Mitarbeitern.
Die Korrespondenzen verraten laut NZZ, für welche Unternehmen die Swisscom Server überwacht und mit welchen Gemeinden und kantonalen Ämtern sie zusammenarbeitet. Auch Firmennamen würden in den Adressen und Absendern auftauchen, Aufträge würden in Dokumenten definiert.
Swisscom hat noch keine Übersicht
Die Swisscom selber hat noch nicht die vollständige Übersicht über das Ausmass des Datenverlusts. Der Konzern habe die drei Bänder von der NZZ erst am Vortag erhalten, sagte Konzernsprecher Olaf Schulze auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Es gehe um eine Datenmenge von bis zu 230 Gigabyte. Das wären über 50 DVDs. Allerdings werde erst die Analyse zeigen, wie viel es effektiv sei.
Es lasse sich nicht ausschliessen, dass auch Kundeninformationen auf den Bändern gespeichert seien, auch wenn die Swisscom davon derzeit noch keine Kenntnis habe, sagte Schulze. Falls Kunden betroffen seien, werde man sie informieren, sagte Swisscom-Sprecher Christian Neuhaus. Man arbeite mit einer externen Firma mit Hochdruck an der Auswertung der Bänder.
Keine Erpressungsversuche
Swisscam startete eine interne Untersuchung und informierte den Eidg. Datenbeauftragten. Bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland reichte der Konzern Anzeige gegen Unbekannt ein. Über die Motive der Täterschaft wollte Schulze nicht spekulieren. Es gebe keine Anzeichen für Erpressung.