Die Schweizer Leichtathletik spürt wieder Aufwind. Dies widerspiegelt sich an Lausannes Athletissima, wo am Abend Selina Büchel, Mujinga Kambundji und Kariem Hussein zu den Hauptattraktionen zählen.
In den letzten Jahren kam die Absage von Usain Bolt einem GAU gleich. Diesmal kann Jacky Delapierre bei seiner 40. Athletissima den Startverzicht des verletzten Superstars verkraften. Der Patron präsentiert auf der seit Wochen ausverkauften Pontaise auch ohne den schnellsten Mann der Welt ein Spektakel. Eine zentrale Rolle nehmen erstmals seit der Zeit mit 800-m-Weltmeister André Bucher wieder Schweizer Athleten ein. Selina Büchel, die Hallen-Europameisterin über 800 m, wird nach ihrem Rekordlauf vom vergangenen Samstag in Paris ebenso frenetisch empfangen werden wie die Sprinterin Mujinga Kambundji oder der Europameister über 400 m, Kariem Hussein.
Analog zu den Titelkämpfen vom Sommer 2014 in Zürich wird das Publikum auf der Gegentribüne die Schweizer Stars durch einen Riesenplakat, auf dem der Vorname abgebildet wird, begrüssen. Die Zuschauer auf den entsprechenden Plätze finden unter ihrem Sitz eine Fahne, vorne rot, hinten weiss. Die Choreographie muss nicht geprobt werden. Jeder Zuschauer erhält auf einem Zettel Anweisungen, welche Farbe er bei welchem Namen nach vorne hält.
Bereits vor dem Hauptprogramm geht die spezielle Begrüssung um 19.54 Uhr los, möglicherweise sogar für das Schweizer Highlight des Abends. Der 800-m-Lauf der Frauen ist in Lausanne keine Diamond-League-Disziplin. Gleichwohl ist das Feld stark besetzt, mit Büchel als Favoritin. Die St. Gallerin dürfte sich ein Duell gegen Molly Ludlow (USA) liefern, die am vergangenen Samstag in Paris unmittelbar hinter der Schweizerin Vierte geworden war. Die Hallen-Europameisterin Büchel sorgte im Stade de France für ihren ersten Exploit unter freiem Himmel. Die Toggenburgerin lief in 1:57,95 Minuten eine Weltklassezeit über 800 m und verbesserte den Schweizer Rekord von Sandra Gasser aus dem Jahr 1987 um fast eine Sekunde.
Kariem Hussein geht nach Eugene (USA) und Rom (It) bereits zum dritten Mal in dieser Saison in der Diamond League an den Start. Der Thurgauer trifft auf fünf Läufer, die in ihrer Karriere die Bahnrunde bereits unter 48 Sekunden durchmassen. Gleichwohl steigt der Europameister mit intakten Chancen auf einen Podestplatz ins Rennen.
Die Sprinterin Mujinga Kambundji gibt nach einer rund einmonatigen Wettkampfpause ihr Comeback. Sie läuft im Hauptprogramm das 200-m-Rennen und anschliessend mit der 4×100-m-Staffel. Als Lokalmatadorin tritt Lea Sprunger an. Die Romande hat auf die 400 m Hürden gewechselt. Mit Erfolg: Am Sonntag in La Chaux-de-Fonds unterbot sei in 55,60 Sekunden die WM- und Olympia-Limite klar. Auch die Weitspringerin Irene Pusterla und die Steeplerin Fabienne Schlumpf erhalten erneut eine Startgelegenheit in der Diamond League.
Farah erstmals in Lausanne
Mo Farah (Gb) gibt seine Premiere an der Athletissima. Der Doppel-Olympiasieger von London 2012 wird erstmals seit den Doping-Anschuldigungen gegen seinen Trainer Alberto Salazar starten. Der Brite trifft über 5000 m auf ein hochkarätiges Feld, dem unteren anderen vier Läufer angehören, die in diesem Sommer die Marke von 13 Minuten schon unterboten haben. Zu ihnen zählt auch der knapp 18-Jährige (!) Yomif Kejelcha aus Äthiopien.
Der 100-m-Lauf der Männer darf als WM-Hauptprobe bezeichnet werden, sofern Usain Bolt nicht wider Erwarten doch noch in Form kommt. Justin Gatlin (USA) will seine seit August 2013 andauernde Ungeschlagenheit gegen Landsmann Tyson Gay und Asafa Powell (Jam) wahren.
Im 800-m-Lauf der Männer versucht der Weltrekordhalter David Rudisha, die Hierarchie wieder zurechtzurücken. Der Kenianer zeigt sich von seiner Verletzung am Schenkel gut erholt und brillierte Mitte Juni in New York bei seinem ersten nennenswerten Einsatz im Sommer 2015 in einem Sololauf in 1:43,58 Minuten. Rudisha muss sich unter anderen gegen Mohammed Aman (Äth) und Nijel Amos (Bot) durchsetzen.
Der Dreisprung der Männer fristet in dieser Saison kein Mauerblümchendasein. Pedro Pablo Pichardo (Kuba) und Christian Taylor (USA) lieferten sich zum Saisonbeginn in Doha ein Duell jenseits der 18-Meter-Marke. Der hochkarätige Stadionrekord der Pontaise (17,91) gerät somit in Gefahr.