Nach einer Serie von Geheimtreffen in Berlin haben sich syrische Oppositionelle auf einen Plan für die Zeit nach einem Ende des Assad-Regimes verständigt. Das Papier unter dem Namen „The Day After“ („Der Tag danach“) wurde am Dienstag offiziell vorgestellt.
Die etwa 45 Gegner von Präsident Baschar al-Assad sprechen sich darin für eine verfassunggebende Versammlung und die Auflösung aller Geheimgefängnisse aus.
Ausdrücklich bekennen sich die Regimekritiker zu den allgemeinen Menschenrechten und zu Demokratie. Wörtlich heisst es darin: „Aus einem Staat, der in Willkürherrschaft von Einzelnen regiert wird, muss in Syrien ein Rechtsstaat werden.“
Der Exil-Syrer Amr al-Azm sagte bei der Vorstellung des Papiers, Ziel des Projekts sei es, die Bildung einer Übergangsregierung vorzubereiten.
Sechs geheime Treffen
Das Papier wurde seit Beginn des Jahres bei insgesamt sechs Treffen in Berlin erarbeitet. Beteiligt waren das bekannteste Oppositionsbündnis, der Syrische Nationalrat (SNC), aber auch andere Kräfte aus unterschiedlichen politischen, ethnischen und religiösen Lagern. Aus Sorge vor dem syrischen Geheimdienst wurden die Treffen geheim gehalten.
Mit dem Plan will die Gruppe auch dem Vorwurf der Zerstrittenheit entgegentreten, dem sich die Opposition immer wieder ausgesetzt sieht.
Auf eine Prognose, wann es mit dem Assad-Regime zu Ende sein könnte, legt sich darin niemand fest. Syrien werde danach jedoch vor grossen Herausforderungen stehen, sowohl auf wirtschaftlichen und sozialem Gebiet als auch in Sicherheitsfragen.
In dem Plan geht es auch um Reformen für Armee, Justiz und den Sicherheitsapparat. Es heisst darin: „Die neue politische Führung und Regierung muss mit einem klaren Bekenntnis zu politischen Grundsätzen und Verfahren zeigen, dass sie mit dem autoritären Erbe bricht.“
Die erst in diesem Jahr verabschiedete neue Verfassung müsse wieder abgeschafft und durch einen vorübergehenden Gesetzesrahmen ersetzt werden, der allen Syrern die gleichen Rechte garantiert. Grundlage dafür könnte die alte syrische Verfassung von 1950 sein.
Die Arbeit der Oppositionellen wurde von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gefördert, einer der wichtigsten aussenpolitischen Denkfabriken in Deutschland.
Vom EDA mitfinanziert
Zur Finanzierung trugen das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit 50’000 Euro bei sowie das US-Aussenministerium in Washington und zwei regierungsunabhängige Organisationen aus den Niederlanden und Norwegen.
Das Auswärtige Amt in Berlin war ebenfalls von Beginn an in die Gespräche eingeschaltet und half beispielsweise bei der Erteilung von Einreise-Visa – allerdings nicht mit Geld, wie betont wird.
Weiterhin Kämpfe im Land
In Syrien selbst gehen die Kämpfe weiter. In Damaskus haben sie Stadtteile erreicht, die von der Gewalt bislang weitgehend verschont geblieben waren. In der Nacht zum Dienstag hörten Bewohner des Viertels Dscharamana mehrere Explosionen. Ein Mann wurde in seinem Auto von einer Granate tödlich getroffen.
Tausende von Menschen verliessen laut Aktivisten die Ortschaft Kafr Batna, die nordöstlich der syrischen Hauptstadt liegt. Dort sollen bei einem Angriff der Regierungstruppen auf mutmassliche Stellungen der Revolutionsbrigaden neun Menschen ums Leben gekommen sein, darunter drei Kinder.
Am Montag hatte die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter insgesamt 230 Tote gezählt.