Sie heissen Messi, Di Maria oder Lavezzi. Menotti, Martino oder Bielsa. Delgado, Sauro oder Zarate. Sie haben etwas gemeinsam. Sie kommen alle aus Rosario, der drittgrössten Stadt in Argentinien.
Vier Argentinier stehen im Moment bei Klubs der Super League unter Vertrag. Drei von ihnen, die Basler Matias Delgado und Gaston Sauro sowie der YB-Stürmer Gonzalo Zarate kommen aus Rosario. Das ist wohl kein Zufall. Denn Rosario, diese Industriestadt 300 km nördlich von Buenos Aires, deren Agglomeration nicht viel grösser ist als der Grossraum Zürich, ist so etwas wie die Fussball-Hauptstadt Argentiniens. Hier wachsen so viele Superstars der Branche heran wie wohl in keiner anderen Stadt der Welt, schon gar nicht im Verhältnis zur Einwohnerzahl.
Knapp 1 Million Menschen lebt im Grossraum Rosario. Von ihnen kennen die wenigsten Delgado, Sauro oder Zarate. Anders verhält es sich bei Namen wie Lionel Messi, Angel di Maria, Ezequiel Lavezzi, Javier Mascherano und Ezequiel Garay. Alle sind sie Stammspieler in Argentiniens WM-Team – und alle kommen sie aus Rosario. «Rosario ist eine Stadt geprägt vom Fussball. Alles ist Fussball in Rosario.» Das ist ein Zitat aus einem Film über Lionel Messi, den berühmtesten Sohn der Stadt. Der, der es gesagt hat, kommt auch von hier. Es ist Luis Menotti, der Mann, der Argentinien 1978 als Trainer zum ersten WM-Titel geführt hat.
Mit handfesten Argumenten kann keiner erklären, weshalb Rosario die Wiege so vieler hochbegabter Spieler und Trainer ist. Wahrscheinlich ist es so, wie es Marcelo Bielsa, der frühere Erfolgstrainer von Chile und Athletic Bilbao und künftige Coach von Olympique Marseille, einst sagte: «Man muss in Rosario gelebt haben, um das zu verstehen.» Auch Bielsa kommt aus Rosario.
Offenbar wird dort in den Strassen am westlichen Ufer des Rio Paraná nicht nur gewöhnliche Luft geatmet. «Die Kinder und Jugendlichen werden hier mit Fussballbegeisterung regelrecht gemästet», erklärte Gerardo Martino. Martino? Richtig, der Mann, der letzte Saison den FC Barcelona trainierte. Woher er kommt? Richtig, aus Rosario. «Die Stadt produziert Spieler am Fliessband, sie ist eine regelrechte Fussballerfabrik, die laufend Talente hervorbringt», so Martino.
Wer nicht in der (Fussball-)Luft Rosarios aufgewachsen ist, der atmete sie wenigsten sonst einmal während seiner Karriere ein. Wie Diego Maradona, die lebende Legende, oder Jorge Valdano, der WM-Final-Torschütze von 1986, oder Gabriel Batistuta, der Rekordtorschütze. Sie spielten während ihrer Karriere auch einmal bei Rosarios Top-Klub Newell’s Old Boys. Oder Mario Kempes, der Torschützenkönig der WM 1978. Er verdiente sein Geld einst beim kleinen Stadtrivalen Rosario Central.
Während eigentlich alle Stars des argentinischen Fussballs entweder in Rosario geboren wurden oder zumindest dort spielten, können die beiden Klubs aus der Stadt mit den grossen Vereinen aus Buenos Aires nicht mithalten. Zwar gehört zumindest Newell’s Old Boys zum Establishment der Primera Division, doch zusammen mit Rosario Central bringen es die Rot-Schwarzen nur auf 10 Meistertitel. Die vier Top-Klubs aus der Hauptstadt dagegen, Boca Juniors, River Plate, Independiente und Velez Sarsfield, holten den Titel zusammen insgesamt 83 Mal.
Auf Klubebene wird Rosario die 13-Millionen-Hauptstadt am Rio de la Plata nie einholen. Doch grosse Talente werden weiterhin ausgebildet. Dafür werden auch keine Kosten gescheut. 100 Junioren aus Rosarios berühmter Fussball-Schule «Renato Cesarini» reisten in den letzten Wochen mit zwei Bussen rund 600 Kilometer durch Südamerika, um die Vorrunden-Spiele Argentiniens gegen Bosnien, den Iran und Nigeria in Rio de Janeiro, Belo Horizonte und Porto Alegre zu besuchen.
Zur Reise gehörten auch Besuche beim Training des Nationalteams in der Cidade do Galo bei Belo Horizonte. Die Jugendlichen aus Rosario durften den ehemaligen Rosario-Chicos Messi, Di Maria, Lavezzi und Co. genau auf die Füsse sehen – damit die Quelle an Talenten in Rosario nie versiegt.