Tango libre

Wenn eine Frau gleich mit ihren vier Männern tanzt, kann der Tango nicht die Hauptrolle spielen. Die Hauptrolle spielt die Freiheit, die in seinen Ursprüngen steckt. Wenn Männer mit Männern tanzen Das Einwandererprogramm der argentinischen Regierung lockte einst mehr Männer als Frauen ins Land. Indem die Männer sich die Tanzschritte der Frauen gegenseitig lehrten, bereiteten […]

Sergi Lopez, einer von vier Männern im Leben von Alice

Wenn eine Frau gleich mit ihren vier Männern tanzt, kann der Tango nicht die Hauptrolle spielen. Die Hauptrolle spielt die Freiheit, die in seinen Ursprüngen steckt.

Wenn Männer mit Männern tanzen

Das Einwandererprogramm der argentinischen Regierung lockte einst mehr Männer als Frauen ins Land. Indem die Männer sich die Tanzschritte der Frauen gegenseitig lehrten, bereiteten sie sich aufs Ausführen und Verführen der einheimischen Frauen vor. In «Tango Libre» tanzen die Männer ebenfalls unter sich  – im Gefängnis.

Irgendwo im Heute zwischen Brüssel und Buenos Aires knüpft Alice, die Krankenschwester (Anne Paulicevich) gleich mit mehrerern Männern einer Straf-Anstalt die Fäden ihres Lebens neu. Mit ihrem Sohn, mit dessen biologischem Vater, dem Ziehvater, ihrem Liebhaber, dem Gefangenenwärter. Alle sind sie gefangen –  in ihren Verhältnissen. Nicht alle beschränkt in ihren Freiheiten. Aber alle tanzen sie Tango.

Erst sieht das konstruiert aus: Vater und Ziehvater (Sergi Lopez) leben im Gefängnis in einer Zelle. Sohn und Mutter besuchen die beiden. Die schweren Jungs rücken jeweils Stühle, wenn Alice mit Sohn Antonio zum Besuchstag kommt. Der Gefangenenwärter Jean-Christophe (François Damiens) überwacht die Treffen und – tanzt bald draussen in Freiheit mit Alice. (Anne Paulicevich zeichnet auch für das Orignial-Drehbuch). 

Anne Paulicevich schrieb auch das Drehbuch

Die Tanz-Szenen bilden hierbei weit mehr als Kulisse. Der Tango spielt nicht als Salon-Tanz, sondern als Lebenselexier der Rebellion die Hauptrolle. Unter den schweren Jungs im Gefängnis tanzen dann auch ein paar leichtfüssige Schwergewichte der internationalen Tango-Szene mit, wie Mariano ‚Chicho‘ Frumboli oder Vincent Morel, die auch schon am Ostertango in Basel Furore machten. In einem der gerissensten Schnitte des Filmes wird der Gefangenenchor der Tangueros hinter Gittern gegen den Salon-Tango gesetzt – Urkraft gegen Stillstand –  von Tangotänzern angeführt, die wie kaum andere den Tango in unsere Zeit revolutioniert haben.

Frédéric Fonteyne schildert die rauhen Ursprünge des Tango, den Candombe, und stellt ihn dem kleinbürgerlichen Thé dansant gegenüber. Wie nebenbei reizt er so die Bandbreite des Tanzes neu aus  – in einem belgischen Kaff. Er lädt ein zu einer einfühlsamen Gefangenen-Ballade, mit einem fast zu optimistischen Schluss.

 

 

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