Migranten, die an der Schweizer Grenze in Richtung Italien abgewiesen werden, sorgen seit Wochen für Kontroversen. In Rancate TI wird am Sonntagabend nun ein Rückführungszentrum für illegale Aufenthalter eröffnet, das bei der Bewältigung der Aufgabe helfen soll.
Graue Fassaden, wild gestapelte Euro-Paletten, Durchgangsverkehr. Das Industriequartier von Rancate TI ist kein einladender Ort.
In einer vergitterten Werkhalle sollen ab diesem Wochenende Menschen, die nach Italien zurücküberwiesen werden, kurzfristig eine Unterkunft finden. Der maximale Aufenthalt soll 24 Stunden betragen.
Werkhalle als Tagesunterkunft
In das «Centro unico» gelangen alle aufgegriffenen Personen, die kein Asyl beantragen und aus «administrativen Gründen» nicht direkt nach Italien überwiesen werden können, wie der Tessiner Regierungspräsident Paolo Beltraminelli (CVP) am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Rancate sagte. Vorher wurde diese Aufgabe an verschiedenen Standorten bewältigt.
Die vom Zivilschutz umgebaute Werkhalle kann maximal 150 Personen beherbergen – hinter Camouflagewänden befinden sich Etagenbetten. Im oberen Teil des Gebäudes ist ein abgetrenntes Abteil für Familien und Kinder vorgesehen. Eine private Sicherheitsfirma werde das Gebäude überwachen und schreite bei Notfällen ein, so Beltraminelli.
Der Kanton Tessin reagiert mit dem neuen Zentrum auf die gestiegene Zahl der Rückweisungen an der Schweizer Südgrenze.
Die Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden funktioniere «hervorragend», sagte Mauro Antonini, Kommandant des Grenzwachtkorps in der Grenzregion IV. Die Grenzstellen seien dort von 7 bis 24 Uhr besetzt. Erst wenn keine sofortige Rückweisung möglich sei, würden die Menschen in das Zentrum von Rancate überstellt, das etwa zehn Kilometer von Chiasso entfernt liegt.
Flucht nach Norden möglich
Laut Antonini kommen in der jüngsten Zeit durchschnittlich 1500 Personen pro Woche an der Tessiner Grenze an – zwei Drittel würden zurückgewiesen, weil sie kein Asyl in der Schweiz beantragen wollen, das andere Drittel wiederum beantrage Asyl und werde dem Staatssekretariat für Migration (SEM) übergeben.
Von diesen im Asylverfahren befindlichen Personen ist rund die Hälfte später «nicht mehr auffindbar», wie Regierungspräsident Beltraminelli vor Medienvertretern sagte. Dies lasse eine Flucht in Richtung Norden vermuten.
Laut Antonini bereite vor allem die Altersermittlung der Migranten dem Grenzwachtkorps grosse Probleme. Unregelmässigkeiten bei der Erstaufnahme wies der Kommandant aber kategorisch zurück – die Grenzwachen in Chiasso seien in der vergangenen Woche unangekündigt vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge kontrolliert worden. Dabei habe es keine Beanstandungen gegeben.
Bevor die ersten Personen im temporären Rückführungszentrum untergebracht werden, nutzt die SRF-Sendung «Arena» die Räumlichkeiten, wie die Redaktion auf ihrer Homepage mitteilte. Die Studiogäste sind die Nationalrätin Doris Fiala (FDP/ZH), der Tessiner Staatsrat Norman Gobbi (Lega), der Zürcher Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli sowie der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano.