Sie ist nur 1,57 m gross, aber am Donnerstag ist sie die Grösste. Tessa Worley holt jenes Gold, welches man im französischen Lager von ihr erwartet.
Als Favorit zu gewinnen ist eine Aufgabe, die nicht so leicht umzusetzen ist. Doch der Floh, wie sie genannt wird, zeigte sich im Riesenslalom der Frauen stark wie eine Bärin. Nach der Slowenin Ilka Stuhec und dem Emmentaler Beat Feuz sorgte sie für den erst dritten Favoritensieg in St. Moritz.
«Es ist unglaublich, ich weiss, dass das alle von mir erwartet haben, ich selbst auch. Aber ich musste mein bestes Skifahren zeigen. Das war kein leichter Tag, aber er ist in einer superschönen Weise zu Ende gegangen», sagte Worley, strahlend vor Glück.
Tessa Worley ist in ihrer Hauptdisziplin endgültig wieder dort angelangt, wo sie vor ihrer schweren Knieverletzung schon einmal war. Vor gut sechs Jahren hatte sie zu Saisonbeginn gleich drei Weltcup-Siege aneinandergereiht, zwei Saisons später wurde die Tochter eines Australiers und einer Französin in Schladming Weltmeisterin. Doch Ein Sturz zehn Monate danach im Slalom von Courchevel, bei dem sie Kreuzband- und Meniskusschäden im rechten Knie erlitt, bedeutete das jähe Saisonende und verhinderte die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi.
Nach dem Unfall dauerte es lange, bis Tessa Worley den Tritt wieder fand. Sie benötigte zwei Winter, um sich wieder im Kreis der besten Riesenslalom-Fahrerinnen zu etablieren. Mittlerweile fährt die Französin aber wieder derart stark, als ob es die Zwangspause nie gegeben hätte. Drei Siege und drei 2. Ränge resultierten im bisherigen Weltcup-Winter. Nur noch Mikaela Shiffrin, die ihr auch in St. Moritz am nächsten kam, kann ihren (ersten) Triumph im Riesenslalom-Weltcup noch verhindern. Aber die 120 Punkte Vorsprung, mit denen Tessa Worley in die beiden letzten Rennen geht, die wird sie sich kaum mehr nehmen lassen.
Auch ihre Sammlung an Goldmedaillen wuchs in den letzten Tagen beeindruckend an. Denn neben ihren goldenen Einzelmedaillen für den Riesenslalom hat die mit Slalomfahrer Julien Lizeroux liierte Tessa Worley auch schon zwei goldene im Team-Wettbewerb gewonnen. Sie stand 2011 in Garmisch ebenso in der siegreichen französischen Equipe wie vor zwei Tagen beim Mannschaftserfolg in St. Moritz.