Thun und St. Gallen sind heute Abend in der dritten Runde der Gruppenphase der Europa League Aussenseiter. Die Berner Oberländer treffen auswärts auf Dynamo Kiew, die St. Galler treten in Valencia an.
Die Vorstellung ist verlockend: Mit einem Erfolg in Kiew kann Thun die Tür zur K.o.-Phase mehr als einen Spalt aufstossen. Er würde den Gruppenfavoriten aus der Ukraine, der bisher sowohl in der Meisterschaft (5. Platz) als auch in der Europa League (sieglos) hinter den Erwartungen geblieben ist, bereits nach der 3. Runde um fünf Punkte distanzieren. Doch die Thuner bleiben vorsichtig. «Wir wollen gewinnen, aber in Anbetracht der Tabellensituation würde ich auch einen Punkt nehmen», sagte Trainer Urs Fischer. Das will der Zürcher nicht als Bescheidenheit oder Genügsamkeit verstanden haben. Vielmehr behält er die Realität im Auge. «Gegen ein solches Team wäre ein Remis ein gutes Resultat.»
Denn trotz der aktuellen Tabellensituation in der Gruppe G ist ein Duell zwischen Dynamo Kiew und dem FC Thun noch immer ein klassisches Duell zwischen David und Goliath. Hier der Provinzklub aus der Schweiz, der mit den personellen und finanziellen Mitteln sehr haushälterisch umgehen muss. Dort der Grossklub aus der Ukraine mit der ruhmreichen Vergangenheit und einer mit viel Geld alimentierten Gegenwart.
Vor diesem Hintergrund erinnern sie sich bei Thun gerne an den Sommer 2005, als die Ausgangslage ähnlich war und der krasse Aussenseiter aus der Schweiz gegen Dynamo Kiew in der Qualifikation zur Champions League bestehen konnte und den Favoriten mit 2:2 und 1:0 aus dem Wettbewerb warf. Fischer kann heute fast aus dem Vollen schöpfen. Ausser den Langzeit-Verletzten Schindelholz, Frey und Bättig sind alle Spieler dabei, denn Thun ist einigermassen heil aus der intensiven Startphase der Saison gekommen. «Die strenge Zeit ist etwas vorbei. Ich muss jetzt weniger rotieren», so Fischer.
St. Gallen muss in Valencia um den Einsatz ihres Power-Aussenläufers Matias Vitkieviez bangen. Die YB-Leihgabe, die in St. Gallen auf der rechten Aussenbahn toll eingeschlagen hat, laboriert an muskulären Problemen in der Wade. Müsste der kraftvolle Vitkieviez passen, würde Jeff Saibene wohl auf Sébastien Wüthrich oder Kristian Nushi setzen. Weiter plant der Trainer der Ostschweizer mit zwei weiteren Wechseln gegenüber der misslungenen Hauptprobe in Basel (0:3). Für Daniele Russo rückt wieder Stamm-Innenverteidiger Stéphane Besle nach verbüsster Sperre in die Mannschaft, und Mario Mutsch dürfte auf der rechten Abwehrseite Ivan Martic ersetzen.
«Wichtiger als die personellen Wechsel dürfte unser gesamter Auftritt sein», so Torhüter Daniel Lopar, dem wahrscheinlich viel Arbeit bevorsteht. «Wir müssen ähnlich aggressiv spielen und so viel laufen und kämpfen wie in Swansea. Valencia ist der nominell stärkste Gegner der Gruppe. Da heisst es stets konzentriert zu sein, kompakt zu stehen und die wenigen eigenen Chancen zu nutzen.»
Valencia ist in Spaniens Fussball hinterReal Madrid und dem FC Barcelona die dritte Kraft. Der 1919 gegründete Verein hat Tradition, weist mit sechs spanischen Meistertiteln, sieben Cupsiegen, dem UEFA-Cupsieg 2004 und zwei Champions-League-Finalteilnahmen (2000 und 2001) zahlreiche Erfolge auf. Er ist aber auch hoch verschuldet. 280 Millionen Euro sollen die Verbindlichkeiten des derzeitigen Tabellenachten der Primera Division betragen.
Gegen St. Gallen lässt Trainer Miroslav Djukic voraussichtlich sechs Stammspieler pausieren. Valencia scheint die Ostschweizer auf die leichte Schulter zu nehmen und zu unterschätzen.