Thunerseespiele: Gangkrieg zwischen den Capulets und den Montagues

Verona eine Halfpipe, die Capulets und die Montagues verfeindete Gangs, Romeo und Julia schiessen Selfies: Regisseur Christian von Götz hat Gérard Presgurvics Musical «Romeo & Julia» für die Thunerseespiele radikal und doch überzeugend modernisiert.

Die Capulets in Neonfarben und die Jeanstypen der Montagues bei einer Gang-Battle (zVg) (Bild: sda)

Verona eine Halfpipe, die Capulets und die Montagues verfeindete Gangs, Romeo und Julia schiessen Selfies: Regisseur Christian von Götz hat Gérard Presgurvics Musical «Romeo & Julia» für die Thunerseespiele radikal und doch überzeugend modernisiert.

Wie in den letzten Jahren auch, sorgte im Vorfeld ein prominenter Darsteller für Reklame: «Bauer, ledig, sucht…»-Moderator Marco Fritsche spielt den Staatsanwalt, der die Einführung zum Stück gibt: Er beklagt die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Verona und die allgegenwärtige Korruption – sogar Sportfunktionäre werden gekauft! Danach wird der «Kuppler der Nation» in seinem verbeulten Fiat von einer Autobombe grilliert – ein hübscher Knalleffekt zum Auftakt.

Ohrwürmer

Dass das Musical in der Schweiz noch kaum bekannt ist, liegt nicht an der Musik. Das Werk enthält etliche Ohrwürmer: «Herrscher der Welt» ist fetzig, «Wir sind aus Fleisch und Blut» poppig und der Schmachtfetzen «Liebe» ein Mitsummer für die ganz Sentimentalen.

Presgurvics 2001 uraufgeführtes Musical hält sich eng an Shakespeares Original. Die Idee, die Veroneser Familienfehde als modernen Bandenkrieg zu inszenieren, stammt vom Regisseur. Sie funktioniert erstaunlich gut.

Auseinanderhalten lassen sich die fast ständig miteinander kämpfenden Mitglieder der gegnerischen Lager durch ein sinniges Farbkonzept: Die Montagues tragen klassische Jeans- und Schwarztöne, die Capulets dagegen Neon- und Bonbonfarben, denn bei Shakespeare sind sie Neureiche, und denen sagt man ja einen schlechten Geschmack nach.

Tuntige Kapriolen

Der Gipfel der Geschmacksverirrung und gleichzeitig der groteske Höhepunkt des Abends ist ein Barbie-Maskenball, in dem fast das ganze Ensemble – ob Mann oder Frau – in kitschigste pink und rosa Roben und hüftlange blonde Perücken gekleidet ist – «ist das nicht etwas metrosexuell?», fragt Romeo, als er seine Perücke anzieht. Extraapplaus gab es in der Szene für einen Männerstrip und die tuntigen Kapriolen des genialen Dance Captains Joe Monaghan.

Weitere Highlights bieten zwei Bike-Stuntmen, die atemberaubende Loopings zeigen, während die Gangs mit ihren BMX-Rädern auf der Bühne herumwuseln. Peinlich nur, dass der Darsteller des Benvolio mit dem Skateboard nur knapp geradeaus fahren kann und Romeo auch nicht mehr als eine leichte Kurve hinkriegt – das hätte man besser weggelassen.

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