Tibetischer Premierminister fordert Stellungnahme aus Bern

Bei seinem Besuch in der Schweiz hat der neue Premierminister der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, auf die verzweifelte Situation der Tibeter hingewiesen. Er forderte die Schweiz am Montag auf, sich zu den Selbstverbrennungen von Tibetern zu äussern.

Lobsang Sangay fordert die Schweiz auf, sich zur Lage in Tibet zu äussern (Bild: sda)

Bei seinem Besuch in der Schweiz hat der neue Premierminister der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, auf die verzweifelte Situation der Tibeter hingewiesen. Er forderte die Schweiz am Montag auf, sich zu den Selbstverbrennungen von Tibetern zu äussern.

Lobsang habe eindrücklich geschildert, dass diese Selbstverbrennungen Ausdruck grosser Hoffnungslosigkeit seien, sagte Maya Graf nach dem Gespräch mit Lobsang vor den Medien in Bern.

Graf ist Vizepräsidentin der Parlamentarischen Gruppe Tibet, die zusammen mit der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft Lobsang zu Gesprächen in die Schweiz eingeladen hatte. Dabei traf der Premierminister neben Graf auch „höhere Beamte“ des Eidg. Amtes für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) zu Gesprächen, wie Lobsang sagte.

Vergleich mit „Arabischem Frühling“

Er wolle den elf Tibetern eine Stimme geben, die sich selbst in Brand gesetzt hatten, sagte der Premierminister vor den Medien in Bern. Diese würden zu wenig beachtet – im Gegensatz zu der Selbstverbrennung letzten Dezember in Tunesien. Diese hatte zu Protesten geführt, die den „Arabischen Frühling“ in Gang setzten.

Zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China sagte Lobsang, dies sei Sache der Schweizer Regierung. „Wir wollen niemandem Unannehmlichkeiten bereiten“, stellte er klar. Handel sei wichtig, „aber die Menschenrechte sind auch wichtig“.

Er hoffe, dass die Schweiz sich weiterhin aktiv für die Menschenrechte einsetze, auch im Hinblick auf das Freihandelsabkommen, sagte Lobsang. Gleichzeitig bedankte er sich bei seinem Besuch bei der Schweizer Regierung und beim Volk für die langjährige Unterstützung.

Frage der Weltgemeinschaft

Neben dem Freihandelsabkommen und den Selbstverbrennungen sei die Klimadiskussion ein Hauptthema im Gespräch zwischen Graf und Lobsang gewesen. „Die Tibetfrage ist keine Frage der Tibeter, sondern der Weltgemeinschaft“, stellte der Premierminister klar.

Denn Tibet sei reich an Ressourcen: Laut Lobsang nutzen 47 Prozent der Weltbevölkerung Wasser aus Flüssen, die im Tibet entspringen. Graf sprach angesichts des ressourcen-reichen Tibets von einer „strategischen Besetzung“ durch China.

Mehr Macht als Vorgänger

Der 43-jährige Jurist Lobsang, der an der renommierten Universität Harvard in den USA promoviert hatte, war im März zum Premierminister der tibetischen Exilregierung gewählt worden.

Da der Dalai Lama sich aus dem politischen Tagesgeschäftzurückgezogen hat, verfügt Lobsang über mehr Einfluss als sein Vorgänger Samdhong Rinpoche. Allerdings wird die tibetische Exilregierung von keinem Land der Welt anerkannt.

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