Die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus beklagt schlimme Zustände in Schweizer Schweineställen. In ihrem «Schweine-Report» präsentiert sie Bildmaterial aus zehn Betrieben in vier Kantonen, das Zweifel an der tiergerechten Haltung der Schweine aufkommen lässt.
Die Bilder, die Tier im Fokus (TIF) am Freitag präsentierte, zeigen kotverschmierte Betonbuchten, auf nacktem Boden liegende Schweine, Tiere mit Ausschlägen oder Bisswunden, tote Ferkel in Eimern und Tiere, die nicht gehen können.
Für TIF-Präsident Tobias Sennhauser sind diese Zustände unhaltbar, jedoch nicht erstaunlich: «Unter den Bedingungen der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft werden Tiere auch in der Schweiz noch mehr zu Waren degradiert», wird er in einer Medienmitteilung zitiert.
Tierindustrie im Visier
Die Tierrechtsorganisation verurteilt «diesen gewaltsamen Umgang mit Lebewesen» und fordert Bund und Politik auf, den Schutz der Tierwürde endlich wahrzunehmen «und die allein auf Profit ausgerichteten, lebensverachtenden Machenschaften der Tierindustrie zu unterbinden».
Zudem solle die Bevölkerung neutral und umfassend über Alternativen zum Konsum tierischer Produkte informiert werden, schreibt der Verein, der sich für die Unversehrtheit aller Tiere einsetzt und Veganismus fördern will.
Der Schweizer Tierschutz hatte Einsicht in die Bilder des TIF und stellte, soweit ersichtlich, in zwei der zehn angeprangerten Betriebe vernachlässigte Tiere fest.
Die anderen Betriebe hielten, gemäss Fotos und Videos, die Tiere innerhalb des gesetzlichen Rahmens, sagte Cesare Sciarra, Leiter des Kontrolldienstes, auf Anfrage. «Wir sehen solche Bilder jeden Tag, das ist nichts neues für uns.»
Seiner Ansicht nach sind die Mindestanforderungen an die Schweinehaltung gemäss Tierschutzgesetz und -verordnung ungenügend. Bei Labelbetrieben wie Naturafarm, Terrasuisse oder bio natur plus seien die Vorschriften «Ok, aber abhängig von der Umsetzung durch die Tierhalter». Der Tierschutz sei immer im Spagat zwischen Bauern, die Geld verdienen müssten und dem Schutz der Tiere.
Frage des Geldes
Suisseporcs-Geschäftsführer Felix Grob schliesst nicht aus, dass es in der Schweiz einzelne Verletzungen der Tierhaltungsvorschriften gibt. Von diesen jedoch auf die Allgemeinheit zu schliessen, sei völlig falsch und nicht fair, sagte er auf Anfrage.
In der Produktion hätten die Hälfte aller Schweine Auslauf und zwei Drittel Stroh in der Liegebucht. Er nimmt auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Pflicht: Würden diese vermehrt Label-Fleisch von Coop, Manor oder Migros kaufen, würden deren Haltungsbedingungen öfter angewendet.
Nulltoleranz gefordert
Auf Konsumentenseite wiederum werden die Tierhalter in die Pflicht genommen: Die von TIF präsentierten Zustände in der Nutztierhaltung seien inakzeptabel, kommentiert das Konsumentenforum die Bilder. Glückerweise sei dies nicht der Regelfall, «dennoch empfiehlt sich eine Nulltoleranz».
Geschäftsführer Michel Rudin fordert flächendeckende artgerechte Tierhaltung: Diese diene nicht nur den Tieren, sondern werde bei den Kundinnen und Kunden als Qualitätsmerkmal wahrgenommen, wird er zitiert. Von Boykotten der Branche hält er nicht viel. Fleisch sollte aber von gesunden und gepflegten Tieren stammen.
In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 7277 Schweinehalter gezählt. Den Schweinebestand beziffert das Bundesamt für Statistik mit 1,485 Millionen. Davon lebten lediglich 26’613 auf Bio-Betrieben. Allerdings wird gemäss Suisseporcs ein Drittel aller Schweine auf Labelbetrieben mit strengeren Vorschriften als den gesetzlichen Mindestanforderungen gehalten.