«Timbuktu»: Stiller Widerstand gegen die Gotteskrieger

Es gibt nicht nur die Greuel der Gotteskrieger in Afrika. Es gibt auch die Musiker und Filmemacher. Zum Beispiel in Mali. Ein armes Land. Und ein reicher Film: «Timbuktu». Abderrahmane Sissako rückt ein Verbrechen aus dem Terrorkrieg 2012 in Mali ins Zentrum seines Films. «Ein etwa 30-jähriges Paar mit zwei Kindern wurde zu Tode gesteinigt. […]

In Mali präsent: grosse Armut und gnadenlose Gotteskrieger.

Es gibt nicht nur die Greuel der Gotteskrieger in Afrika. Es gibt auch die Musiker und Filmemacher. Zum Beispiel in Mali. Ein armes Land. Und ein reicher Film: «Timbuktu».

Abderrahmane Sissako rückt ein Verbrechen aus dem Terrorkrieg 2012 in Mali ins Zentrum seines Films. «Ein etwa 30-jähriges Paar mit zwei Kindern wurde zu Tode gesteinigt. Sie waren nicht vor Gott verheiratet gewesen. Die Szene wurde von den Warlords im Internet verbreitet: Nur die Köpfe des Paares schauen aus dem Boden. Mit dem ersten Stein entgeht der Frau ein heiserer Schrei, und  dann – Stille.»

Um dieses fürchterliche Ereignis hat Sissako in «Timbuktu» Bilder geflochten, die er in der afrikanischen Steppe findet. Leichfüssig. Humorvoll. Und mit einem grandiosen Zeitgefühl: Er führt uns in einfachen Metaphern vor, was dort die Menschen plagt. Armut. Und bewaffnete Männer, die sich auf einen Gott berufen, der sie nicht rief.

Bilder voller Wucht und Stille

Der Mauretanier Abderrahmane Sissako ist in Mali aufgewachsen. In seinem ersten Film «Bamako» liess er eine Dorfgemeinschaft die Weltbank anklagen. Mit Wirtschaftswachstum fördere sie nur ein Wachstum: dasjenuge der Kluft zwischen Arm und Reich. In seinem neuesten Film «Timbuktu», der in Cannes den «Preis der Ökumenischen Jury» erhielt, wendet der afrikanische Filmemacher sich den hausgemachten Problemen des Kontinentes zu: Islamisten terrorisieren mit teuren westlichen Waffen das arme Land.

Wenn Abderrahmane Sissako eine Geschichte aus seinem Land erzählt, dann ist ihm seine Heimat nahe – und auch ihre Poesie. In atemberaubenden Bildern fängt der Film das Leben in der afrikanischen Steppe ein und wie dieses aus den Fugen gerät.

Ein armes Land – ein reicher Film

Der Tuareg Kidane bleibt vom Chaos, das in «Timbuktu» herrscht, zunächst verschont. Er lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in sicherer Entfernung in den Wüstendünen. Doch mit dem Frieden ist es vorbei, als er bei einem Handgemenge versehentlich einen Fischer tötet. Kidane lernt nun die neuen Gesetze der Dschihadisten kennen und gerät in die Fänge ihres unmenschlichen Systems.

Sissako macht mit einem einfachen Kniff klar, wie absurd die islamistischen Forderung im Namen des Glaubens ist. Den Jugendlichen verbieten die Gotteskrieger in seinem Film sowohl die Musik, das Lachen und sogar den Fussball.  Indem er die Scharia der Fundamentalisten nur leicht überhöht, entlarvt Sissako sie: Von den Frauen verlangen die Terroristen, dass sie auch ihre Hände verhüllen – mit Handschuhen.




Fussballballett ohne Ball

Das führt bei Sissako zu einem ganz leisen Widerstand und zu einer der schönsten Szenen des Films: Die Jungs spielen dennoch Fussball, begeistert, in einem wilden Ballett, ohne Ball. So einfach ist Widerstand. So absurd sind plötzlich die Verbote der selbsternannten Stellvertreter Gottes.

Aber auch im Würgegriff der islamistischen Fundamentalismus findet «Timbuktu» sein ganz eigenes, zeitloses Wesen. Abderrahmane Sissako lässt sich viel Zeit – auch, um die bittere Realität, die ihn vor zwei Jahren in der Wirklichkeit einholte, zu schildern: Islamisten zerstörten damals die Kulturgüter der Stadt und ermordeten die Menschen.

Sissako legt mit seinen wuchtigen Bildern eine eigene Auffassung von Zeit und Widerstand dar. Damit erzeugt er seine ganz eigene Spannung. Zeit ist einer der wenigen Reichtümer der Armen des afrikanischen Kontinents. «Ihr habt die Uhren – wir haben die Zeit!»

Der Widerstand der Musik

Sissako bildet aber auch die Kraft der Kultur seines Landes ab: Fatoumata Diawara spielt in seinem Film nicht nur eine zauberhaft farbige Figur, sondern sorgt mit der (verbotenen!) Musik im Freundeskreis auch für den optimistischen Gegenpunkt im Film: Wer ihre Musik nicht kennt, findet in «Timbuktu» Gelegenheit, sie kennen zu lernen. Ihre Musik wird zu einem Zeichen des Widerstand. Gelassen, wild, sinnlich, frech und – wie der Film – auch mit Peitschenhieben nicht zu bändigen. 

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Der Film läuft in den Kult-Kinos. 

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