Tipps für den Smalltalk mit einem schwarzen CEO

Mit der Wahl von Tidjane Thiam zum CEO der Credit Suisse kommt ein neues Problem auf helvetische Top-Manager zu: Beim Apéro könnte man leicht in ein Fettnäpfchen treten. Elisio Macamo, Professor für Afrikastudien an der Universität Basel, gibt hilfreiche Tipps für den unverfänglichen Small Talk. Die kleine Schweiz steht Kopf. Sie verwaltet nun nicht nur […]

Muss sich jetzt viel unbedarften Apéro-Smalltalk anhören: Der neue Credit-Suisse-CEO Tidjane Thiam.

Mit der Wahl von Tidjane Thiam zum CEO der Credit Suisse kommt ein neues Problem auf helvetische Top-Manager zu: Beim Apéro könnte man leicht in ein Fettnäpfchen treten. Elisio Macamo, Professor für Afrikastudien an der Universität Basel, gibt hilfreiche Tipps für den unverfänglichen Small Talk.

Die kleine Schweiz steht Kopf. Sie verwaltet nun nicht nur schwarze Gelder, sondern lässt Schwarze die Gelder verwalten. Ob das funktionieren kann? Was auf jeden Fall auf die Chefetagen in der Schweiz zukommt, ist die Frage, wie man nun Smalltalk gestaltet. Ich kann vielleicht helfen, also, meine eigene Erfahrung als Knigge im Umgang mit farbigen Führungsleuten anbieten.

Wie bei allem, was afrikanisch ist, ist es denkbar einfach. Man muss nur auf die Fragen aufpassen, die man stellt, sensibel sein bei der Wahl von Themen und vorsichtig bei der Verwendung von bestimmten Redewendungen. Nichts mit «political correctness». Einfach gesunder Menschenverstand.

1. Blöde Fragen

Sich für andere zu interessieren tönt immer gut. Und Fragen sind der beste Beleg dafür. Aber vorsichtig! Nicht alle Fragen kommen gut an. Die Frage, zum Beispiel, ob der Herr Kollege nun immer in der Schweiz leben möchte. Das ist unterste Schublade. Die Frage vermittelt den Eindruck, dass jeder Afrikaner seinen Platz hat, an den er nach getaner Arbeit zurückgehen muss. Jeder andere darf leben, wo er möchte. Nur nicht der Afrikaner. Das ist unfair. Und es spielt keine Rolle, ob sein Land seine Fertigkeiten braucht. Er trägt sein Land genauso wenig auf seinem Buckel, wie die Reisläufer Glarus Mitte des 19. Jahrhundert trugen, als jeder 12. sein Heil in den USA suchte. Akzeptieren Sie einfach die Tatsache, dass Menschen das Wort «Globalisierung» genauso verstehen können, wie Sie es verstehen.

Und da wir beim Verstand sind: Fragen Sie ihn nie, wo er so gut Englisch/Französisch/Deutsch gelernt hat. Als Schweizer sollten Sie ohnehin wissen, dass Mehrsprachigkeit Kindergeburtstag ist. Es gibt sehr wenige Afrikaner, die nur eine Sprache können. Und das hat nichts mit einer angeblichen mündlichen Tradition zu tun. Damit sie mit Ihnen kommunizieren können, müssen sie Ihre Sprache lernen. Nicht umgekehrt. Und das sollten Sie wissen. So ist die (afrikanische) Welt.

2. Heikle Themen

Schwieriger wird es bei den Themen. Normalerweise muss der Afrikaner alles lernen, was mit Europa zu tun hat. Also Literatur, Kunst, Musik, Sport und Philosophie. Und dieses Wissen gesellt sich zu dem Wissen über die eigene Kultur, das er ohnehin besitzen sollte. Will heissen: Er ist meistens im Vorteil, auch wenn er bei den üblichen Fragen der Sendung «Wer wird Millionär?» nicht mithalten kann. Dieses Rezeptwissen ist ja auch kein Wissen im eigentlichen Sinne.

Also, Ball flach halten, sonst könnten Sie sich als Banause outen. Und das wollen Sie nicht. Er hat bestimmt von Lukas Hartmann, Max Frisch, Eveline Hasler und Urs Widmer gehört (und vielleicht sogar gelesen). Sie auch (bestimmt nur gehört). Darüber hinaus hat er auch von Cheikh Hamidou Kane, Ama Ata Aidoo und Ahamadou Korouma gehört und gelesen. Es sind keine Fussballspieler und Läuferinnen. Es sind Schriftsteller, richtig gute sogar.

Imponieren Sie ihm lieber mit Ihrem Wissen über unterschiedliche Käsesorten und Gerüche, Bergsteigen und Skifahren. Das ist sicheres Terrain. Und kommen Sie nie auf die Idee, über entwicklungspolitische Fragen zu fachsimpeln! Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen wenig Ahnung davon haben. Die Mentalität, zum Beispiel, die hat wenig damit zu tun. Schon gar nicht die Korruption (aber den Fehler würden Sie ohnehin nicht machen, denn er ist auch ein «Insider» und weiss, wie die Wirtschaft tickt).

Widerstehen Sie der Versuchung, ihn für Dinge zu bewundern, für welche Europäer keine Urheberrechte besitzen: Pünktlichkeit, Fleiss, Sauberkeit. Solche Tugenden kommen in Afrika häufiger vor, als Sie vielleicht denken.

3. Sprachliche Fallstricke

Ganz zum Schluss sollten wir über die Sprache reden. Es ist klar: bestimmte Redewendungen sind nicht mehr «in». Wenn Sie beispielsweise der Auffassung sind, dass das Unternehmen einer Krise entgegensteuert, sagen Sie nicht, dass Sie «schwarzsehen». Vermeiden Sie Ausdrücke wie «schwarz auf weiss». Und selbst wenn Sie etwas nicht tun wollen, sagen Sie ihm nicht, dass er warten kann «bis er schwarz ist» (das ist er ja schon).

Sie sollten das nicht lassen, weil er das als «rassistisch» deuten könnte. Rassismus ist bei den meisten Afrikanern kein Thema. Die meisten beziehen sich auf diesen Begriff einfach, weil sie glauben, dass er der Ausdruck für Unerzogenheit und Dummheit ist. Das hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Vermeiden Sie solche Redewendungen einfach deswegen, weil Sie sich selbst ärgern werden, sobald Sie sie ausgesprochen haben. Sie werden sich doof vorkommen und Ihre Haut wird verschiedene Farben annehmen, weil Sie denken werden, dass Sie etwas gesagt haben, was Sie nicht hätten sagen sollen.

Übrigens: Nicht alle Schwarzen sind immer ruhig und gelassen. Es ist einfach schwer, rot zu werden, wenn man schwarz ist. Schwarz ist das sprichwörtliche Poker Face. Aber klar, es brodelt in uns, vor allem wenn alles auf die Hautfarbe bezogen wird. Deswegen, um kurz zurück auf die verbotenen Fragen zu kommen und damit auch abzuschliessen, sollten Sie auch vermeiden, ihn zu fragen, ob er Rassismus erlebt hat oder wie es sich anfühlt, der erste schwarze CEO einer Grossbank in der Schweiz zu sein.

In Afrika fragt man sich, wie verzweifelt die Europäer sein müssen, um auf einmal Stellen nach Kompetenzkriterien zu besetzen. Manche fragen sich sogar, ob die Entscheidungsträger von Credit Suisse nicht Metaphern durcheinandergebracht haben. Ja, man möchte schwarze Zahlen schreiben. Entscheidend dabei ist aber nicht die Hautfarbe der Hände des CEO …

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