Eine gross angelegte Verfolgungsjagd auf den mutmasslichen Todesschützen von Virginia ist zu Ende: Der Mann nahm sich auf der Flucht das Leben. Derweil kommen immer mehr Hintergründe zum möglichen Motiv des Schützen ans Tageslicht.
Der Mann wurde laut offiziellen Angaben auf einer Autobahn fast 280 Kilometer entfernt vom Tatort von der Polizei aufgespürt; eine Fahrzeugkontrolle verweigerte er und gab stattdessen Gas. Einige Minuten später kam sein Auto von der Fahrbahn ab und wurde schwer beschädigt.
Beim Versuch, sich mit einer Schusswaffe das Leben zu nehmen, hatte sich der Verdächtige schwer verletzt. Er kam in sehr kritischem Zustand ins Spital, starb aber später, wie der zuständige Sheriff bekanntgab.
Tat live übertragen
Bei der Bluttat am Mittwochmorgen wurden die 24-jährige Alison Parker und der 27-jährigen Adam Ward aus nächster Nähe bei einem Live-Interview getötet, wie ihr Sender WDBJ7 mitteilte. Die interviewte Frau wurde in den Rücken geschossen. Sie kam ins Spital, ihr Zustand ist stabil.
Das tödliche Drama ereignete sich am Morgen gegen 6.45 Uhr Ortszeit: Parker interviewte gerade in einer Ferienanlage in Moneta im östlichen US-Bundesstaat Virginia eine Vertreterin der lokalen Handelskammer zum Thema Tourismus, als der Schütze auftauchte. In der Live-Schaltung für die morgendliche Nachrichtensendung des Lokalsenders sind plötzlich Schüsse und Schreie zu hören, dann fällt die Kamera zu Boden.
Während die Kamera weiterläuft – zu sehen sind noch die Beine des Schützen – fallen mindestens acht weitere Schüsse. Die Kamera fängt noch ein verschwommenes Bild des dunkel gekleideten Schützen auf, dann schaltet der Sender zur geschockten Moderatorin ins Studio.
Der mutmassliche Schütze Vester Lee Flanagan stellte später Videos von seiner Bluttat ins Internet. Darauf ist der 41-Jährige zu sehen, wie er eine Pistole schwingt und dann auf die Reporterin zielt.
Niemand scheint dies zu bemerken, weil der 27-jährige Kameramann Adam Ward ihm mit dem Rücken zugewandt steht und die Reporterin auf ihr Interview konzentriert ist. Dann werden acht Schüsse auf die Reporterin abgefeuert, die noch zu flüchten versucht.
«Manifest» an TV-Sender geschickt
Das Twitter-Konto @bryce_williams7, auf dem das Video der Tat zu sehen war und von dem der mutmassliche Schütze auf der Flucht Mitteilungen verbreitete, wurde nach kurzer Zeit gesperrt. Unter diesem Namen hatte Flanagan für WDBJ gearbeitet und war vor einiger Zeit vom Sender gefeuert worden.
In einem Schreiben an den TV-Sender ABC verwies er als mögliches Motiv auf das Massaker eines weissen Rassisten im Juni in einer Kirche in Charleston, bei dem neun Schwarze ums Leben gekommen waren. Er fühle sich als Schwarzer und Homosexueller verfolgt und sprach von einem «Rassenkrieg», hiess es in dem 23-seitigen Schreiben, das ABC als ein «Manifest» bezeichnete.
«Alison hat rassistische Kommentare gemacht», twitterte Flanagan nach der Tat. Anscheinend beschwerte er sich auch darüber, dass die Journalistin angestellt und er nicht weiterbeschäftigt worden sei.
WDBJ-Manager Jeff Marks sagte zum Nachrichtensänder Fox News, der 41-Jährige sei ein schwieriger Mensch gewesen, mit dem man nicht gut habe zusammenarbeiten können. Er habe sich schlecht behandelt gefühlt, an seinen Vorwürfen sei aber nichts dran gewesen. Er habe zwei Jahre für den Sender gearbeitet.
Waffendebatte erneut entfacht
Die Tat heizte erneut die Debatte in den USA über das Waffenrecht an. Das Weisse Haus sprach von einer schrecklichen Tat. Dieser Zwischenfall zeige erneut, wie dringend der Kongress eine Verschärfung der Waffengesetzgebung angehen müsse, sagte Sprecher Josh Earnest. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton rief per Twitter dazu auf, «die Gewalt mit Handfeuerwaffen zu beenden».