Trotz Abzug schwerer Waffen verschärft sich Ton im Ukraine-Konflikt

Mehr als eine Woche nach dem offiziellen Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine scheinen sich Rebellen und Regierungstruppen nun weitgehend an die Vereinbarungen zu halten. Dennoch verschärfte sich der Ton auf allen Seiten.

Zwei Männer radeln nahe Donezk an einem zerstörten Gebäude vorbei (Bild: sda)

Mehr als eine Woche nach dem offiziellen Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine scheinen sich Rebellen und Regierungstruppen nun weitgehend an die Vereinbarungen zu halten. Dennoch verschärfte sich der Ton auf allen Seiten.

Der russische Präsident Wladimir Putin verglich das Verhalten Kiews gegenüber der Ostukraine am Mittwoch mit einem «Genozid». US-Aussenminister John Kerry warf Moskau «Lügen» und die «umfangreichste Propaganda-Übung seit den Hochzeiten des Kalten Krieges» vor. Der britische Premierminister David Cameron kündigte die Entsendung von Ausbildern zur Unterstützung der ukrainischen Armee an.

Putin sagte vor der Presse in Moskau, in der Ostukraine herrsche bereits Hunger, und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) spreche von einer humanitären Katastrophe. In dieser Situation die Menschen von Erdgaslieferungen abzuschneiden, habe schon etwas von «Völkermord», zitierte die Nachrichtenagentur RIA Nowosti Äusserungen Putins auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades.

Russland hatte vor zehn Tagen damit begonnen, von prorussischen Rebellen kontrollierte Gebiete in der Ostukraine mit Erdgas zu beliefern. Die Rebellen hatten zuvor mitgeteilt, die von ihnen gehaltenen Gebiete würden nicht mehr vom ukrainischen Gaskonzern Naftogaz beliefert.

Kerry: Russische Führung hat gelogen

Kerry bejahte am Dienstag vor einem Ausschuss des US-Senats die Frage, ob die russische Führung «gelogen» habe, als sie die Existenz russischer Truppen und Waffen in der Ukraine leugnete. Die Rebellenbewegung in der Ostukraine bezeichnete er als «de facto Verlängerung der russischen Armee». Kiew und westliche Länder werfen Moskau vor, die prorussischen Rebellen im Konfliktgebiet militärisch zu unterstützen, was Russland dementiert.

Cameron teilte vor einem Parlamentsausschuss mit, London werde im März Militärausbilder in die Ukraine entsenden. Darüber hinaus werde die ukrainische Armee taktische nachrichtendienstliche Daten erhalten. Gemeinsam werde ausserdem ein Infanterie-Trainingsprogramm entwickelt. Das britische Verteidigungsministerium bestätigte die Entsendung von 75 Soldaten als Teil eines sechsmonatigen Einsatzes in der Ukraine.

Cameron brachte zugleich einen Ausschluss russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift ins Spiel, sollte es weiterhin Verstösse gegen das Minsker Abkommen geben.

Für die deutsche Regierung erklärte deren Sprecher Steffen Seibert am Mittwoch, die Entsendung von Militärausbildern in die Ukraine stehe für Deutschland «derzeit» nicht auf der Tagesordnung. Bei einer weiteren Zuspitzung der Lage könnten allerdings «weitere Massnahmen nötig sein».

OSZE: Waffenabzug bisher nur Behauptung

An der militärischen Front scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Zum ersten Mal seit mehreren Wochen sei in den vergangenen 24 Stunden kein Soldat getötet worden, erklärte ein Armeesprecher am Mittwoch.

Die Rebellen in der Ostukraine begannen nach eigenen Angaben mit dem Abzug schwerer Waffen aus dem Konfliktgebiet. Die OSZE, die die Waffenruhe und den Abzug der schweren Waffen überwachen soll, erklärte allerdings, die Konfliktparteien hätten ihr noch keine entsprechenden Informationen zukommen lassen. «Dass Waffen abgezogen und sicher gelagert wurden, sind vorerst Behauptungen», sagte OSZE-Missionschef Ertugrul Apakan am Mittwoch.

Der unter deutscher und französischer Vermittlung vereinbarte Waffenstillstand von Minsk gilt eigentlich seit dem 15. Februar. Die Rebellen ignorierten ihn in den ersten Tagen und eroberten den Eisenbahnknoten Debalzewe zwischen Donezk und Luhansk.

Erst am Dienstag hatten sich die Aussenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands erneut getroffen und eine Einhaltung der Minsker Vereinbarungen verlangt.

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