Trotz Gleichstellungsgesetz und Diskriminierungsverbot klagen Frauen nach wie vor wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz, am häufigsten im Zusammenhang mit Lohn und Mutterschaft. Probleme gibt es mit der Anwendung des Gesetzes.
Das schreibt das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) am Mittwoch zu einer Studie, die es von der Universität Genf erstellen liess. Analysiert wurden 190 Gerichts- und Schlichtungsentscheide aus den Jahren 2004 bis 2015.
Häufigster Grund für eine Klage sind ungleiche Löhne. Stark gestiegen ist die Anzahl Klagen wegen Diskriminierung im Zusammenhang mit Mutterschaft, meistens weil einer Mutter nach der Geburt gekündigt wird. Ob sich die Probleme verschärften oder ob Frauen sich besser zur Wehr setzten, lässt die Studie laut EBG offen.
Meist zu Ungunsten der Kläger
In knapp zwei Drittel aller Fälle (62,5 Prozent) fällt das Urteil mehrheitlich oder ganz zu Ungunsten der Partei aus, die eine Diskriminierung rügt. Geht es um sexuelle Belästigung, werden 83 Prozent der Fälle zu Ungunsten der Klagenden entschieden. Klagen wegen sogenannter Rachekündigungen werden zu 90 Prozent abgewiesen.
Das Gleichstellungsgesetz ist seit 1996 in Kraft. Es verbietet Diskriminierung im Erwerbsleben, von der Anstellung über den Lohn, die Weiterbildung und die Kündigung bis zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Die Studienautoren machen denn auch Empfehlungen, um das Diskriminierungsverbot durchzusetzen.
Sie raten nicht nur zur Lohntransparenz, sondern auch zu Kontrollen zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes, ähnlich wie bei Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Weiter wird eine Stärkung des Verbandsklagerechts empfohlen – gemäss Analyse klagen heute fast immer Einzelpersonen.
Schliesslich empfehlen die Studienautoren auch, dass unterlegene Klägerinnen keine Parteientschädigung bezahlen müssen – der Kanton Genf hat eine solche Regelung. Die für Löhne oder Arbeitsbedingungen im Gleichstellungsgesetz verankerte Beweislasterleichterung sollte auf sexuelle Belästigung ausgedehnt werden.
Schulung für Gerichte
Richterinnen und Richter, Anwältinnen und Anwälte sowie Schlichtungsbehörden sollten sich nach Ansicht der Studienautoren in ihren Weiterbildungen auch mit dem Gleichstellungsgesetz befassen. Universitäten müssten dafür sorgen, dass das 21-jährige Gesetz ein Bestandteil der juristischen Grundausbildung wird.
Der Mittwoch – dem Tag der Veröffentlichung der Studie – ist der Jahrestag des landesweiten Frauenstreiktages vom 14. Juni 1991. Zu dem Streik mit dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» aufgerufen hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB).
Der Grundsatz der Lohngleichstellung für Mann und Frau steht seit 1984 in der Bundesverfassung. Gemäss der Lohnstrukturerhebung des Bundes für 2014 gibt es nach wie vor Lohnunterschiede, die sich nicht mit Ausbildung, Dienstjahren oder der ausgeübten Funktion im Betrieb erklären lassen.
Der Bundesrat will deshalb Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzlich verpflichten, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen und von einer Revisionsstelle überprüfen zu lassen. Ein Gesetzesentwurf soll im Sommer vorliegen.