Eine fünf Meter hohe Welle könnte bei einem Seebeben im Mittelmeer ganze Küstenstreifen verwüsten. Zu diesem Schluss kommen europäische Forscher, die die Gefahr von Tsunamis in Mittelmeer simuliert haben.
Etwa jeder Zehnte Tsunami weltweit geschieht im Mittelmeer, wie die Europäische Geowissenschaftliche Gesellschaft (EGU) in einer Mitteilung schreibt. Davon ist im Schnitt einer pro Jahrhundert ein Grosser. Das Risiko sei heute grösser als je zuvor, weil rund 130 Millionen Menschen entlang der Küsten leben, schrieb die EGU.
Weil das Mittelmeer nur klein ist, bleibe zudem nur eine kurze Zeit für Warnung und Evakuation. Um mehr Informationen für die Frühwarnung zu sammeln, hat das Team um Achilleas Samaras von der Universität Bologna modelliert, wie sich Tsunamis bilden, ausbreiten und die Küste treffen könnten.
Bis zu zehn Meter hohe Wellen
Anhand von Meerestiefe, Küstenform und Bodenreliefs simulierten die Forscher, wie ein Erdbeben der Stärke 7.0 vor Ostsizilien und Kreta die Wassermassen verschieben würde. «Wir wollten wissen, wie Küsten von Tsunamis betroffen wären, die nicht nur zu den tektonisch aktivsten gehören, sondern zudem in der Vergangenheit zahlreiche Tsunamis erlebt haben», liess sich Samaras in der Mitteilung zitieren.
Die im Fachjournal «Ocean Science» präsentierten Resultate zeigen, dass die so entstandenen Wellen tiefliegende Küstengebiete bis zu einer Höhe von fünf Metern über dem Meeresspiegel überschwemmen würden. Kreta wäre am schlimmsten betroffen, dort würden 3,5 Quadratkilometer Küste von der Fluten überrollt.
Die Geschichte zeigt, wie verheerend sich Tsunamis im Mittelmeer auswirken können. Im Jahr 1908 erschütterte ein Beben der Stärke 7.0 die sizilianische Region Messina und erzeugte einen Tsunami, der an manchen Stellen mit etwa zehn Metern Höhe die Küste überflutete. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben.
5000 Menschen getötet
Auch aus der Antike sind solche Katastrophen überliefert: Im Jahr 365 nach Christus löste ein Beben der Stärke 8.0 bis 8.5 vor der Küste Kretas eine Welle aus, die antike Städte in Griechenland, Italien und Ägypten zerstörte und allein in Alexandria etwa 5000 Menschen tötete.
Zwar könne man nicht davon ausgehen, dass ein fünfmal stärkeres Beben auch eine fünfmal so grosse Überflutung auslösen würde, erklärte Samaras. Ihre Resultate könnten aber darauf hindeuten, wie verschiedene Gegenden von grösseren Ereignissen betroffen sein könnten.
Die Forscher wollen ihre Simulationen Behörden und politischen Entscheidungsträgern im östlichen Mittelmeer zur Verfügung stellen, damit diese damit Tsunami-Szenarien erstellen und für bedrohte Küsten geeignete Massnahmen ergreifen können.