Türkisch für Anfänger

Die deutsche Multikulti-Komödie lädt unseren Verstand dazu ein, einmal Urlaub zu machen.

Politisch inkorrekte Teenie-Klamotte: «Türkisch für Anfänger».

Die deutsche Multikulti-Komödie lädt unseren Verstand dazu ein, einmal Urlaub zu machen.

«Türkisch für Anfänger» kommt aus der grössten türkischen Stadt in Europa: aus Berlin. Dort ist Multikulti längst Rou­tine. Was aber, wenn die Teenies noch nicht wissen, wie das geht? Wollen sie dann bleiben, was sie sind? Oder wollen sie dann sein wie die anderen? Anders zumindest als die eigenen Eltern? Was, wenn seit der Teenie-Globalisierung auch die Teenies Teenies nacheifern, die Teenies nacheifern? Was bleibt dann von Albanern, die wie Asia­tinnen, die wie Afrikaner, die wie Rapper, die wie Deutsche, die wie Albaner sein ­wollen, übrig?

«Türkisch für Anfänger» kommt aus der TV-Unterhaltung. Die Macher des Films sind Vorabend-Serientäter, Sie wissen, was das heisst. Die Wirkung von TV-Werbung darf zwischen den Werbeblöcken nicht durch zu viel Denken ausser Kraft gesetzt werden. Deshalb spricht in diesem Türkischkurs niemand Türkisch. Er ist ja für Anfänger. Das gibt uns zwei Stunden lang das Gefühl, wir seien – auf Türsteher­niveau – schon Türkinnenversteherinnen.

«Türkisch für Anfänger» ist ein Ferienfilm. Er soll uns bringen, was wir von Ferien erwarten: jede Menge Oberfläche, Farbe und Flirt mit irgendwas – und möglichst nicht so leben müssen, wie die Einheimischen (das sind in diesem Anfängerkurs Thailänder, bei denen Deutsche gerne ­fe­rienhalber mal anders sind). Da diese ­Ferien mit einer Bruchlandung anfangen und auch nachher einiges schiefgeht, lachen wir häufig unter unserem Niveau, aber immerhin gern, weil wir wieder mal jung sein dürfen. Wie in den Ferien.

Beunruhigend in dieser deutschen Multikulti-Komödien-Welt mag sein, dass so ­gesehen eigentlich alle nur deutsch synchronisiert sein müssten, damit das mit den Kulturen funktionieren kann. In «Türkisch für Anfänger» sind selbst die Ureinwohner auf der einsamen Insel Deutsche. Oder zumindest Studienobjekte einer deutschen Forscherin. Trotzdem: Lassen Sie mal kurz ­Ihren Verstand Urlaub machen. Es tut gut, respektlos über Vorurteile zu lachen, auch über deutsche. Die Respektlosigkeit spaltet da manch ein tiefsitzendes Vor-Ur-Teilchen. Zumindest ermöglicht der Anfängerkurs Teenies, die nicht immer politisch korrekt lachen wollen, einen Einstieg. Auch wenn bei diesen Lachern das Denken kurz aussetzt, keine Angst: Es setzt wieder ein, ­spätestens, wenn Sie kein Teenie mehr sind, suchen Sie verzweifelt den Denk-Schalter.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30.03.12

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