Als Reaktion auf die Korruptionsermittlungen gegen seine Regierung hat der türkische Premier Erdogan hunderte Polizisten versetzen lassen. Rund 350 Polizisten in Ankara, darunter hohe Beamte der Gruppen Finanzdelikte und organisierte Kriminalität, verloren ihre Posten.
Mehrere Nachrichtensender und Online-Medien berichteten, die Zwangsversetzungen seien in der Nacht zum Dienstag angeordnet worden. Betroffen seien auch dutzende hohe Beamte. Insgesamt wurden seit dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung am 17. Dezember mehr als 1000 Polizeibeamte versetzt. Regierungschef Recep Tayyip Erdogan wirft der Polizei vor, die Regierung nicht vorab über die Korruptionsermittlungen informiert zu haben.
Hintergrund der Affäre ist offenbar ein Machtkampf zwischen der Erdogans regierender Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) und der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Diese soll besonders in Justiz und Polizei über Einfluss verfügen.
Erdogan sieht hinter dem Skandal eine Verschwörung, um seine Regierung kurz vor den Kommunalwahlen am 30. März zu schwächen. Am Wochenende warf er der Justiz einen Putschversuch vor.
Weitere Festnahmen
Istanbuler Staatsanwälte hatten im Dezember mehrere Dutzend Verdächtige festnehmen lassen, darunter ranghohe Politiker und Wirtschaftsführer aus dem Umfeld Erdogans. Auch die Söhne von zwei Ministern wurden festgenommen, woraufhin Erdogan im Zuge einer Kabinettsumbildung die betroffenen Minister austauschte. Die Opposition warf Erdogan jedoch vor, die Affäre vertuschen zu wollen, auch mehrere AKP-Abgeordnete verliessen die Partei aus Protest.
Bei dem Skandal geht es unter anderem um die Bestechung von Politikern, um illegale Goldgeschäfte der staatlichen Halkbank mit dem Iran zu verheimlichen, sowie um illegale Bauvorhaben. Weitere Vorwürfe richten sich gegen die staatliche Eisenbahngesellschaft TCDD. In diesem Zusammenhang wurden am Dienstag in fünf Städten 25 weitere Menschen unter dem Verdacht des Betrugs und der Korruption festgenommen, wie Medien berichteten.
Die Oberste Behörde der Richter und Staatsanwälte (HSYK), die über die Besetzung der höchsten Posten in der Justiz entscheidet, leitete laut einem Fernsehbericht eine Untersuchung ein, ob der neue Istanbuler Polizeichef in der Affäre Staatsanwälte an der Ausführung weiterer Haftbefehle hindere.
Auch gegen einen Istanbuler Staatsanwalt, der die Ermittlungen wegen Korruption geführt und dann von der Aufgabe abgezogen worden war, wurde ein Verfahren eingeleitet. Das Gremium hatte das Eingreifen der Regierung Erdogan in die Arbeit der Justiz kritisiert und dann vom neuem Justizminister Bekir Bozdag einen Maulkorb verpasst bekommen.
Neue Vorwürfe
Unterdessen veröffentlichte der Oppositionspolitiker Levent Tüzel zwei parlamentarische Anfragen zu neuen Korruptionsvorwürfen gegen frühere Minister. Laut Tüzel stehen die ehemalige Familienministerin Fatma Sahin und der frühere Europaminister Egeman Bagis im Verdacht, Aufträge unter Umgehung der Vorschriften an ausgewählte Firmen vergeben, sowie Verwandten, Bekannten und AKP-Anhängern illegal Posten verschafft zu haben.