In dem Streit um Abstimmungskampfauftritte türkischer Politiker in Europa hat der Kurzbotschaftendienst Twitter Hackerangriffe bestätigt. Die Unternehmensleitung kündigte am Mittwoch Untersuchungen wegen Schmähungen gegen Deutschland und die Niederlande an.
Der Online-Analysedienst Twitter Counter gab bekannt, es seien bereits erste Gegenmassnahmen ergriffen worden. Hacker hatten tausende Twitter-Konten unter ihre Kontrolle gebracht, unter anderem die der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF, des Fernsehsenders ProSieben, des Fussballvereins Borussia Dortmund, der Tennis-Legende Boris Becker oder des US-Wirtschaftsmagazins «Forbes».
Über die gekaperten Twitter-Profile wurden dann Schmähungen gegen Deutschland und die Niederlande verbreitet. Auf den gehackten Konten fanden sich Nachrichten mit den Hashtags #Nazialmanya und #Nazihollanda sowie Hakenkreuz-Symbole. Ausserdem wird auf den 16. April verwiesen.
An diesem Tag will der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die umstrittene Volksabstimmung über die Einführung eines Präsidialsystems abhalten. Wie viele Twitter-Konten genau betroffen waren und wer hinter der Attacke steckt, war zunächst unklar.
Im Streit um Abstimmungskampfauftritte türkischer Politiker in europäischen Ländern hatte Erdogan Deutschland und den Niederlanden wiederholt vorgeworfen, «Nazi-Methoden» anzuwenden. In mehreren deutschen Städten waren Auftritte türkischer Politiker abgesagt worden, die Niederlande hinderten Regierungsmitglieder an Wahlkampfauftritten.
Die türkischen Politiker wollten bei den im Ausland lebenden Türken für die Einführung des Präsidialsystems werben. Alleine in Deutschland sind 1,4 Millionen Türken stimmberechtigt.
Nichts mit Nazis zu tun
Der diplomatische Streit zog auch am Mittwoch noch politische Reaktionen nach sich. So verurteilte der EU-Ratspräsident Donald Tusk die jüngsten verbalen Angriffe der Türkei auf die Niederlande scharf.
«Die Niederlande, das ist Europa», sagte der Pole am Mittwoch vor dem Europaparlament in Strassburg. Die Stadt Rotterdam sei «von den Nazis brutal zerstört worden», und heute habe sie einen Stadtpräsidenten marokkanischer Herkunft. Das habe nichts mit Nazis zu tun.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Niederlande vergangene Woche als «Überbleibsel der Nazis» beschimpft, nachdem dort Abstimmungskampfauftritte türkischer Politiker verboten worden waren. Zuvor hatte er mit einer ähnlichen verbalen Entgleisung gegen Deutschland für Empörung gesorgt.
Auch der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, wies die Äusserungen Erdogans zurück. «Wir werden nicht akzeptieren, dass unsere Regierungen mit den Nazis verglichen werden», sagte er unter lautem Applaus der Europaabgeordneten.
Deutschland behält sich Einreiseverbot vor
Die deutsche Regierung behält sich ein Einreiseverbot für türkische Politiker als «letztes Mittel» vor. Dies sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier. Damit deutet der Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Kurswechsel an, denn bislang galt die Devise, Kundgebungen als Ausweis der in Deutschland geltenden Redefreiheit zuzulassen.
Dass die deutsche Regierung ihre völkerrechtlichen Möglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft habe, sei keine Freikarte, sagte Altmaier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Türkei drohte inzwischen mit einer weiteren Zuspitzung: Europaminister Omer Celik stellte das Flüchtlingsabkommen mit der EU in Frage.