In Basel-Stadt sollen die Steuern künftig direkt vom Lohn abgezogen werden. Wer ist alles davon betroffen? Muss man mitmachen? Und wer befürwortet die Gesetzesänderung? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Der direkte Steuerabzug vom Lohn rückt näher: Die Regierung hat dem Grossen Rat am Dienstag eine Vorlage zur Teilrevision des Steuergesetzes unterbreitet. Aber was bedeutet das? Die wichtigsten Fakten zum Thema.
Worum geht es?
Wer in Basel-Stadt arbeitet und lebt, soll künftig einen Teil seines Lohnes (zwischen 3 und 10 Prozent des Bruttolohnes) monatlich direkt der Steuerverwaltung abliefern. Vorgesehen ist, dass der Arbeitgeber den Betrag vom Lohn seines Angestellten abzieht und der Steuerverwaltung überweist. Damit will die Regierung eine Motion von SP-Grossrat Rudolf Rechsteiner umsetzen.
Was soll der direkte Abzug bringen?
Rechsteiner erhofft sich dadurch weniger soziale Probleme. Es würden weniger Leute betrieben. «Der automatisierte freiwillige Direktabzug der direkten Steuern vom Lohn hat zum Ziel, Schulden, Notlagen und administrative Leerläufe wegen unbezahlter Steuern zu vermeiden», heisst es in Rechsteiners Motion aus dem Jahr 2015. Hintergrund: Die hohe Liquidität bei Lohnzahlungen könne dazu verführen, mehr Geld auszugeben als «unter Berücksichtigung der Steuerschuld» zur Verfügung stehe.
Sind Steuerschulden denn ein so grosses Problem?
Die Basler Steuerverwaltung löste wegen Steuerforderungen bei natürlichen Personen vergangenes Jahr 8611 Betreibungen in der Höhe von insgesamt 46,1 Millionen Franken aus (ohne direkte Bundessteuern). Im Jahr 2015 waren es 8690 Betreibungen in der Höhe von 49,4 Millionen – 2014 sogar 9702 Betreibungen in der Höhe von 53,6 Millionen.
Stark ins Gewicht fallen auch die Steuereinnahmen, die gemäss Regierungsratschlag dem Kanton jedes Jahr aufgrund von Steuererlassen oder erfolglosen Betreibungen entgehen. 2016 waren es insgesamt 29,8 Millionen, 2015 25,3 Millionen und 2014 sogar 37,4 Millionen Franken.
Müssen alle Arbeitnehmer mitmachen?
Nein. Die Teilnahme ist freiwillig. Arbeitnehmer können den automatischen Abzug ablehnen oder die Höhe des Abzugs selbst bestimmen. Aber: «Lehnen sie eine Teilnahme des Lohnabzugsverfahrens ab, müssen sie dies dem Arbeitgeber ausdrücklich mitteilen, ansonsten hat dieser den Lohnabzug standardmässig in der Höhe von 10 Prozent des Bruttolohns vorzunehmen», schreibt die Regierung in ihrem Ratschlag.
Müssen alle Arbeitgeber mitmachen?
Ja, sofern sie kein Kleinstbetrieb sind – also nicht mehr als 300’000 Franken Lohn pro Jahr auszahlen. Der Arbeitgeber haftet auch für die richtige und rechtzeitige Ablieferung der abgezogenen Steuerbeträge.
Wer wäre alles betroffen?
Das neue System könnte gemäss der Finanzverwaltung für 25’700 Personen angewendet werden – und zwar für all jene, die zugleich in Basel wohnen und arbeiten (nicht mitgezählt sind Selbstständige). Die Regierung geht aber davon aus, dass weniger Personen mitmachen werden, da der direkte Steuerabzug auf Freiwilligkeit basiert.
So viele Angestellte mit Wohnsitz in Basel-Stadt gibt es gemäss dem Statistischen Amt. (Bild: Felix Michel )
So viele Personen sind in Basel-Stadt angestellt. (Bild: Felix Michel )
Und wie viele Firmen wären betroffen?
Das kann die Steuerverwaltung zurzeit nicht sagen.
Ich wohne, arbeite aber nicht in Basel-Stadt. Könnte mein Arbeitgeber trotzdem zum Systemwechsel verpflichtet werden?
Nein. Dazu ist der Kanton nicht bemächtigt, wenn der Arbeitgebende der Hoheit eines anderen Kantons unterstellt ist.
Wie kommt der geplante Systemwechsel an?
Das Finanzdepartement hat im Auftrag der Regierung letzten Sommer ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Die vorgeschlagene Einführung eines Lohnabzugsverfahrens wird vom Basler Gewerkschaftsbund, den linken Parteien, der Schuldenberatung Schweiz oder der Caritas Schweiz begrüsst. Für die Befürworter ist das Lohnabzugsverfahren ein wirkungsvolles Mittel gegen die Verschuldung, wie es im Ratschlag heisst.
Abgelehnt haben das System unter anderem der Arbeitgeberverband Basel-Stadt, Coop, der Gewerbeverband Basel-Stadt, die Handelskammer beider Basel und die Parteien LDP, SVP, CVP und GLP. Die Gegner bezeichnen das neue System als überflüssige Regulierung, die mit einem unverhältnismässigen Mehraufwand verbunden sei.
Ist die Regierung dafür?
Nein, auch wenn die Regierung das System einführen will, ist sie selber gegen eine Systemänderung und wehrte sich ursprünglich gegen die Motion von Ruedi Rechsteiner (der Grosse Rat hielt jedoch daran fest). So schreibt die Regierung in ihrem Ratschlag denn auch:
«Zwar zielt die Motion auf eine Reduktion der Betreibungen ab. Realistischerweise ist aber nicht damit zu rechnen, dass jene Steuerpflichtigen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind und betrieben werden müssen, vom freiwilligen Lohnabzugsverfahren Gebrauch machen werden, umso mehr als das betreibungsrechtliche Lohnpfändungsverfahren Vorrang vor dem kantonal geregelten, freiwilligen Lohnabzugsverfahren hat. Mit dem Lohnabzugsverfahren könnte sich in Zukunft aber die Zahlungsdisziplin verbessern und die Zahl der Steuerpflichtigen, die der Steuern wegen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, abnehmen.»
Was ist der nächste Schritt für die Vorlage?
Die Vorlage geht jetzt in die vorberatende Wirtschafts- und Abgabekommission. Bis der Grosse Rat darüber berät, dauert es noch eine Weile. Wann das neue System bei einem allfälligen Ja des Parlaments eingeführt werden soll, ist offen. Geplant ist jedoch eine schrittweise Einführung.
Obligatorisch für alle Arbeitgeber soll die Anwendung des neuen Systems erst fünf Jahre nach Inkrafttreten werden (Firmen, die schon früher mitmachen wollen, dürfen früher). Der Kanton als Arbeitgeber will zudem das neue System zuerst anwenden. «Auf diese Weise können erste Erfahrungen bei einem einzigen grossen Arbeitgeber gewonnen werden, bevor das neue Lohnabzugsverfahren bei den übrigen Arbeitgebern eingeführt wird.» Nicht auszuschliessen wäre bei einem Ja des Grossen Rates auch ein Referendum – womit die Stimmbevölkerung darüber entscheiden würde.