Als Folge des Vormarsches der Terrormiliz IS im Norden Syriens sind nach Angaben der Regierung in Ankara inzwischen mehr als 130’000 Menschen in die Türkei geflüchtet. Die Flüchtlingsbewegung ist die Folge einer IS-Offensive gegen die Stadt Ain al-Arab an der Grenze zur Türkei.
Diese Zahl nannte Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus am Montag für die Zeit seit der Grenzöffnung am Freitag. Das berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte zuvor mitgeteilt, die Zahl der Flüchtlinge habe die Marke von 100’000 erreicht.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte eroberten IS-Kämpfer seit Donnerstag etwa 60 Dörfer rund um Ain al-Arab und drängten die kurdischen Kämpfer zurück.
IS droht weiterhin
Die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) rief derweil zur Tötung der Bürger aller Staaten auf, die sich der internationalen Koalition gegen die Organisation angeschlossen haben.
Anhänger und Unterstützer von IS sollten «ungläubige Amerikaner oder Europäer – vor allem die boshaften und dreckigen Franzosen» töten, erklärte IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani am Montag in einer Botschaft in mehreren Sprachen. Er nannte auch Australier oder Kanadier als Ziele sowie alle «Bürger jener Länder, die sich der Koalition gegen den Islamischen Staat angeschlossen haben».
Nach der US-Luftwaffe hatten kürzlich auch Kampfflugzeuge Frankreichs erstmals Angriffe gegen IS-Stellungen im Norden des Iraks geflogen. Zahlreiche weitere westliche und arabische Staaten schlossen sich der US-geführten Koalition gegen die Gruppe an und sagten Waffenlieferungen und andere Hilfen zu.
Auch Zivilisten im Visier
Der IS-Sprecher nannte als Ziel für Anschläge und Angriffe explizit sowohl Soldaten als auch Zivilisten. Die Erklärung in Arabisch, die zusammen mit einer Übersetzung in Englisch, Französisch und Hebräisch veröffentlicht wurde, richtete sich offenbar gezielt an Einzeltäter und schien weniger zu Anschlägen mit hohem Organisationsgrad als zu einzelnen Morden aufzurufen.
Zudem wurde auch zu Anschlägen auf Sicherheitskräfte auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel aufgerufen. Ägypten erlebt seit dem Sturz des demokratisch gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im vergangenen Jahr eine Welle der Gewalt gegen die Sicherheitskräfte.
In westlichen Staaten wächst seit Monaten die Sorge, dass in Syrien und dem Irak radikalisierte Dschihadisten aus Europa, Nordamerika oder Australien bei der Rückkehr in ihre Heimatländer Anschläge verüben. Das Beispiel des Syrien-Rückkehrers, der Ende Mai bei einem Anschlag im Jüdischen Museum von Brüssel vier Menschen ermordete, wird hier als Warnung angeführt.
Paris reagierte allerdings gelassen auf den Aufruf der Terrormiliz. «Frankreich hat keine Angst», sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Montag in Paris. Das Land sei mit solchen Drohungen immer fertig geworden, es könne mit der Solidarität aller Bürger rechnen und habe nicht vor, den Terroristen auf den Leim zu gehen.