Ein gewaltiges Erdbeben im Himalaya hat Tod und Zerstörung gebracht. Allein in Nepal kamen beim stärksten Beben dort seit mehr als 80 Jahren fast 2500 Personen ums Leben. Auch in Nordindien, Tibet und Bangladesch gab Dutzende Tote.
Der Erdstoss mit der Stärke 7,8 zerstörte am Samstag um die Mittagszeit (Ortszeit) grosse Teile der Infrastruktur Nepals, zahlreiche alte Häuser sowie Weltkulturerbe- und Pilgerstätten. Die Bewohner von Kathmandu flohen auf die Strassen und trauten sich nicht in ihre Häuser zurück, weil zahlreiche Nachbeben die Region weiter erschüttern.
Alle Parks, Gehwege und öffentlichen Plätze hätten sich in Zeltstädte verwandelt, sagte ein Sprecher des Roten Kreuzes. Präsident Ram Baran Yadaf habe ebenfalls in einem Zelt geschlafen, sagte sein Sprecher in einem lokalen Radio.
Spitäler waren so überfüllt, dass sie im Freien unter Zelten behandeln mussten. Ein Arzt sagte, die meisten Verletzten seien Kinder. Viele hätten Kopfverletzungen und Brüche erlitten. Für die vielen Toten war in den Leichenschauhäusern bald kein Platz mehr.
Starke Nachbeben
Das ganze Ausmass der Zerstörung war auch am Sonntag nicht abzusehen, weil viele abgelegene Dörfer nicht erreicht wurden. Das Rote Kreuz äusserte sich besorgt über das Schicksal der Dörfer in der Nähe des Epizentrums des Bebens rund 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu.
«Wir haben alle unsere Such- und Rettungsressourcen mobilisiert», sagte der nepalesische Polizeisprecher Kamal Singh Bam. Helikopter seien in entlegene Gebiete geschickt worden, Einsatzkräfte würden auf der Suche nach Überlebenden durch die Trümmer graben.
Sonntag früh wurden die Menschen von einem starken Nachbeben geweckt. Später erschütterte ein weiterer Erdstoss der Stärke 6,7 das Land. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte lag das Epizentrum diesmal nordöstlich von Kathmandu nahe der Grenze zu China.
Das Nachbeben löste eine weitere Lawine am Mount Everest aus, wo am Samstag 18 Menschen ums Leben kamen, als eine Lawine Teile des Basislagers verschüttete. Zudem starben mehrere ausländische Bergsteiger, die sich auf die Besteigung des höchsten Bergs der Welt vorbereiteten. Nachdem sich am Sonntag das Wetter in der Region besserte, begannen Helikopter, die mehr als 60 Verletzten vom Basislager auszufliegen.
Erschwerte Bedingungen für Helfer
Die Zahl der Erdbebentoten stieg am Wochenende laufend an. Zuletzt gab das Innenministerium am Sonntagabend (Ortszeit) an, in Nepal seien 2460 Menschen getötet und gegen 7000 Personen verletzt worden.
In Nordindien stieg die Zahl der Toten nach Behördenangaben auf 67, die chinesischen Behörden meldeten 18 Tote in Tibet und in Bangladesch kamen vier Personen ums Leben. Es war das schwerste Erdbeben in der Region seit 1934, als ein Beben der Stärke 8,1 in Nepal und Indien 10’700 Menschen das Leben kostete.
Bereits am Samstag lief eine internationale Hilfswelle an. Sowohl umliegende Länder wie auch westliche Staaten, darunter die Schweiz, boten ihre Hilfe an und schickten erste Erkundungsteams in die Katastrophenregion. Die Hilfs- und Rettungsbemühungen wurden durch starke Nachbeben sowie die Schäden an Strassen, Stromleitungen und dem Telefonnetz erschwert.
Koordiniert wird die Hilfe für Nepal vom UNO-Büro zur Nothilfe-Koordinierung (OCHA). Hilfsflugzeuge aus aller Welt erreichten die Hauptstadt Kathmandu, unter anderem mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kommunikationsgeräten.
Der Flughafen war laut Polizei am Wochenende nur vorübergehend für Linienflüge offen – die Landebahn wurde wegen der Nachbeben immer wieder geschlossen. Deswegen sassen zahlreiche Touristen in Nepal fest. Derzeit ist dort Hauptsaison für Bergsteiger und Wanderer.