Überkandidelt

Warum die Ausrüstung oft die Fähigkeiten übertrifft

Mal ehrlich: Für das, was viele Menschen auf dem Herd kulinarisch so zustande bringen, würde eigentlich irgendein Kochtopf, wenn nicht gar eine leere Konservenbüchse und ­irgendetwas zum Umrühren vollkommen ausreichen. Dennoch deckt man sich mit den edelsten Uten­silien ein, welche auf dem Markt ­erhältlich sind. Natürlich sind diese ­zugleich meistens die teuersten.

Ähnlich verhält es sich in anderen Lebensbereichen: Für eine Wanderung, auf der gerade mal 150 Höhenmeter bewältigt werden müssen, braucht es unbedingt hochprofessionelle Bergschuhe, mit denen man auch den Mount Everest besteigen könnte, und eine Multifunktions­jacke, deren Wasser- und Wind­dichtigkeit jedem Tropensturm standhalten kann. Jeder Jogger trägt für seine wöchentliche halbe Stunde Laufschuhe, die auch einem Usain Bolt genügen würden. Im Wohnzimmer hofft ein 3-D-Fernseher darauf, dass diese Technik sich irgendwann einmal tatsächlich durchsetzt. Über Offroader in schlaglochfreien Innenstädten wurde schon genug gesagt.

Diesem Bedürfnis nach Über­ausrüstung liegt Verschiedenes zugrunde: Zum einen ist man so bestmöglich auf das vorbereitet, was kommt, und wenn man dann plötzlich doch ins Gebirge ziehen muss, hat man schon das passende Auto. Dazu kommt, dass gute Utensilien die eigenen Defizite manchmal ein wenig auszugleichen vermögen. Oder man kann sicher sein, dass man sich das Beste gegönnt hat, also sicher keine falsche Entscheidung getroffen hat. Zudem wird man noch träumen dürfen! Gleich wie einst in der Kindheit mit einem Ritterhelm oder einer Krone verkleidet man sich mit den überkandidelten ­Schuhen und Töpfen als der Sportler oder Koch, der man gerne wäre. Die Wirtschaft freut es einewäg.

Paul Bocuse hat auch eine «Cocotte» von Staub, emailliertes Gusseisen, ab 75 Franken, bei La Cucina, Gerbertgässlein 14, www.staub.fr