Im ukrainischen Machtkampf hat Präsident Viktor Janukowitsch der Opposition eine Regierungsumbildung in Aussicht gestellt. Bundespräsident Didier Burkhalter bot in seiner Eigenschaft als OSZE-Vorsitzender an, die Organisation könne eine Vermittlerrolle übernehmen.
Bei einer Sondersitzung des Parlaments am Dienstag werde es einen Kabinettswechsel geben, kündigte der prorussische Staatschef Janukowitsch am Freitag in Kiew an. Zudem habe er Änderungen an umstrittenen Gesetzen zur Versammlungs- und Pressefreiheit in Auftrag gegeben. Der Präsident versprach weiterhin, diejenigen festgenommenen Demonstranten zu begnadigen, die keine schweren Verbrechen begangen hätten.
Ob er die gesamte Regierung von Ministerpräsident Nikolai Asarow absetzen will, sagte Janukowitsch nicht. Experten hielten es für möglich, dass lediglich besonders umstrittene Politiker wie Asarow oder Innenminister Witali Sachartschenko gefeuert würden.
«Janukowitsch versucht jetzt, mit einem Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten in der nächsten Woche auf Zeit zu spielen», schrieb Oppositionsführer Vitali Klitschko in einem neuen Gastbeitrag für die deutsche «Bild»-Zeitung (Freitagsausgabe).
Die Zugeständnisse bezeichnete der ehemalige Boxweltmeister am Freitag in Kiew als unzureichend: «Janukowitsch muss gehen». Die prowestlichen Regierungsgegner wären zu Beginn der Proteste mit der Entlassung von Innenminister Sachartschenko zufrieden gewesen.
«Und vor zwei Wochen hätte uns der Rücktritt der Regierung genügt», sagte Klitschko. Heute würden die Menschen aber eine Neuwahl des Staatschefs fordern. «Es wird ihm nicht gelingen. Ohne Neuwahlen werden wir nicht aufhören zu demonstrieren.» Janukowitschs Rücktritt gehört zu den Kernforderungen der Opposition.
Burkhalter bietet OSZE als Vermittlerin an
Asarow traf am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos mit Bundespräsident Didier Burkhalter zusammen. Burkhalter, der derzeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorsteht, habe sich mit Asarow gründlich und offen über die Lage ausgetauscht, hiess es in einem OSZE-Communiqué.
Die Organisation bot sich den ukrainischen Konfliktparteien als unparteiische Vermittlerin an. Sie verfüge über die nötigen Mittel und Instrumente, sagte Burkhalter. Zugleich forderte die OSZE, dass die für den Tod von Demonstranten verantwortlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden müssten.
Vor dem WEF demonstrierten am Freitag rund 80 Personen gegen den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch und dessen prorussische Politik. Sie verteilten Flugblätter mit dem Aufdruck «No dictatorship in the center of Europe». Der Anlass verlief friedlich und unter den Demonstrierenden waren auch Familien mit Kindern.
Demonstranten in Kiew bauen Barrikaden
Die Gegner des Präsidenten weiteten ihre Proteste in Kiew unterdessen aus. Rund 1000 Demonstranten verliessen am Freitag den zentralen Kundgebungsort rund um den Maidan-Platz und blockierten Zufahrtswege zum Amtssitz des Präsidenten. Zudem wurde das Landwirtschaftsministerium besetzt.
Bei Temperaturen vom minus 13 Grad füllten die Oppositionellen weitere Sandsäcke mit Schnee, um sie zu Wällen aufzuschichten. Vermummte Demonstranten standen mit erbeuteten Polizeischilden bereit, um ein mögliches Einschreiten der Sicherheitsbehörden abzuwehren.
Beim Stadion des Fussballclubs Dynamo Kiew – ein weiterer Brennpunkt der Proteste – verbrannten Demonstranten Autoreifen. Über der Sportstätte stiegen dichte, schwarze Rauchwolken auf. Auch aus anderen Regionen des Landes wurden Proteste gemeldet.
Hinter der Gewalteskalation in der Ukraine steckt nicht zuletzt eine weitgehend unbekannte Gruppe von Ultranationalisten, die sich Prawi Sektor (Rechter Sektor) nennt. Einer ihrer Anführer zeigt sich an Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch kaum interessiert.