Sandy war der schwerste Sturm, den die Ost-Küste der USA seit Menschengedenken erlebt hat. Er folgt auf Rekord-Hitze, auf Rekord-Dürre, und auf einen ungewöhnlich harten Sommersturm. Doch kein Präsidentschaftskandidat traut sich, den Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Stürme Wetter auch nur zu erwähnen. Geschweige denn, irgend etwas dagegen zu unternehmen.
In meinem Stadtteil im Zentrum von Washington klingt es heute wie im Wald: Motorsägen. Laute Zurufe an Männer, die mit Macheten und kleinen Handsägen in Baumgipfeln herumsteigen, um angebrochene Äste abzusägen. Und der Lärm von «Chipper»-Maschinen: An einem Ende schieben Arbeiter ganze Bäume herein. Am anderen Ende bläst ein Rohr kleine Holzschnitzel heraus.
Ansonsten ist das Leben hier zu Normal zurück gekehrt. Am Ufer des Washington Kanals schwappt noch Sturm-Müll im Wasser. Aber die Kassiererin in meinem Supermarkt konnte heute wieder mit der Metro zur Arbeit kommen. Gestern hat sie die fünf Meilen lange Strecke zu Fuß zurück gelegt. Sie war gezwungen, die insgesamt zehn Meilen (16 Kilometer) zu gehen. Wenn sie – wegen der Schliessung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Schliessungen sämtlicher Behörden und der Schliessungen der Schulen – bei ihren Kindern zuhause geblieben wäre, hätte sie keinen Lohn erhalten.
Wo die Infrastruktur solide ist, hat selbst Super-Sturm Sandy kaum Schäden anrichten können. Mein Stadtteil ist in den 60er Jahren rundum saniert worden. Dabei kamen die Stromkabel unter die Erde. Sind echte Trottoirs entstanden. Und wurde nicht bei den Uferbefestigungen gepfuscht.
Damals dachte niemand daran, dass der Staat der Feind wäre. Dass Steuern vor allem dazu da sind, bis zur Unkenntlichkeit gekürzt zu werden. Und dass die Privatisierung des öffentlichen Lebens – inklusive der Katastrophenhilfe wie Mitt Romney im vergangenen Jahr gesagt hat – sinnvoll wäre. Das Resultat jener staatlichen Sanierungen in meinem Stadtteil ist, dass ich heute verschont bleibe, während rundum bei jedem Sturm die Klima-Anlagen im Hochsommer und die Heizungen im Winter zu hunderttausenden versagen.
Bezeichnenderweise ist die völlig veraltete Infrastruktur, die nur von einem zu Großinvestitionen bereiten Staat modernisiert werden könnte, jetzt kein Thema.
Klima-Negativeffekte
Und auch einen anderen Zusammenhang von Sandy ignorieren die großen US-Medien und die beiden Präsidentschaftskandidaten. Dabei zwingt er sich geradezu auf. Binnen weniger Monate haben wir in den USA eine Serie von klimabedingten Negativ-Rekorden erlebt: die längst anhaltende und größte Hitzeperiode der meteorologisch erfassten Geschichte. Eine katastrophale Sommer-Dürre. Ein besonders harter Stommersturm. Und jetzt Sandy, ein Sturm, der länger gedauert hat und eine breitere und zerstörerischere Schneise durch die Ost-Staaten gezogen hat, als alles was zuvor gemessen worden ist.
Sandy ist ein Alarmruf. Aber nur kleine Gruppen von UmweltschützerInnen wie 350 und kleine TV-Sender wie Democracy Now sprechen von «Klimaveränderung». In den großen TV-Sendern kommt das Stichwort kaum vor. Und bei den Debatten von Präsident Obama und Governor Mitt Romney war es ein totales Tabu. Statt über diese größte Bedrohung für die Sicherheit der Menschen – auch in den USA – zu sprechen, haben sie bei ihren Debatten darum gewetteifert, wer am schnellsten die Energieunabhängigkeit der USA erreicht: Mit noch mehr Öl-, mit noch mehr Gas, mit noch mehr Kohleförderung und mit mehr Atomenergie.
Dass Sandy den Wahlausgang beeinflussen wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Erstens haben jene, die überhaupt wählen gehen wollen, ihre Entscheidung längst gefällt. Zweitens wissen jene, die noch immer überlegen, ob sie wählen sollen, längst, wen sie wählen werden, falls sie sich doch noch breit schlagen lassen, zur Urne zu gehen. Und drittens gibt es in diesem öl-süchtigen Land nur eine winzige Minderheit von Menschen, die bereit ist, sich ihr Leben mit Gedanken über das Klima zu komplizieren.