Der ungarische Präsident János Áder will die vom Parlament beschlossenen Verfassungsänderungen ungeachtet heftiger Proteste aus dem In- und Ausland unterzeichnen.
„Unabhängig davon, was ich davon denken mag, ob es mir gefällt oder nicht, besteht meine einzige verfassungsmässige Möglichkeit darin, die Änderung zu unterzeichnen“, erklärte Áder auf der Webseite des Präsidialamtes in Budapest.
Fünf Tage Zeit
Áder griff in seiner Erklärung eine Textpassage auf, die zu den vom Parlament beschlossenen Änderungen gehört. Darin heisst es, dem Präsidenten stünden fünf Tage Zeit zur Verfügung, „um die Verfassungsänderung des Parlaments zu unterzeichnen“. Diese Frist würde am Freitag ablaufen.
Die Änderungen wurden am Montag von der konservativen Regierungsmehrheit von Ministerpräsident Viktor Orban beschlossen, der Ader nahesteht. Zu den Kernpunkten zählt die weitgehende Entmachtung des Verfassungsgerichts. Dem Präsidenten wird nur noch das Recht zugestanden, Gesetze auf Formfragen zu überprüfen.
Kein Schutz für Unverheiratete
Der besondere Schutz der Familie gilt den Beschlüssen zufolge nur für verheiratete Paare aus Mann und Frau, mit oder ohne Kinder. Unverheiratete Eltern geniessen diesen besonderen Schutz nicht.
Für die Anerkennung von Religionen ist künftig nicht mehr die Justiz des Landes, sondern das Parlament zuständig. Es muss seine Entscheidungen nicht begründen.
Betroffen von den Änderungen sind auch Studenten: Wer gebührenfrei an ungarischen Universitäten studieren möchte, muss sich künftig verpflichten, danach im Land zu bleiben. Die Behörden dürfen Obdachlose inhaftieren, wenn sie auf der Strasse schlafen.
Wiederholt protestierten in Budapest tausende gegen die Verfassungsänderungen. Dennoch wurden sie vom Parlament mit 265 Stimmen angenommen. Elf Parlamentarier sprachen sich dagegen aus, 33 enthielten sich. Die grösste Oppositionspartei, die Sozialisten, boykottierten die Abstimmung.