Angesichts eines Flüchtlingsmarschs in Richtung Österreich hat die ungarische Regierung angekündigt, die Migranten mit Bussen an die Grenze zu bringen. Zuvor hatte sie zunehmend die Kontrolle über die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge verloren.
Die Busse würden während der Nacht zum Bahnhof Keleti sowie zur Autobahn M1 gebracht, sagte der Stabschef von Ungarns Regierungschef Viktor Orban, Janos Lazar. Die Regierung kündigte an, rund hundert Busse loszuschicken. Den Flüchtlingen werde angeboten, sich zum Grenzübergang Hegyeshalom fahren zu lassen.
«Die oberste Priorität ist, dass der Verkehr nicht zum Erliegen kommt», sagte Lazar mit Blick auf die Blockade der Autobahn M1 durch den Flüchtlingsmarsch. Der Bustransport zur Grenze bedeute nicht automatisch, dass die Migranten ausreisen dürften, fügte er hinzu. «Die Regierung wartet auf den Standpunkt Österreichs zu den Einreise- und Ausreisebedingungen.»
Ein Sprecher des Wiener Innenministeriums sagte, Österreich bereite sich zusammen mit Hilfsorganisationen auf die Ankunft der Menschen vor. Während die EU-Aussenminister in Luxemburg ergebnislos über die Krise stritten, setzte sich am frühen Nachmittag am Budapester Bahnhof Keleti der Flüchtlingstreck in Bewegung.
Die Migranten wollten zu Fuss die rund 175 Kilometer entfernte österreichische Grenze erreichen. Die Polizei griff nicht ein. Teilnehmer des Marsches spreizten die Finger zum Siegeszeichen, andere schwenkten Bilder von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.
«Die Kinder sind sehr müde»
Nach Schätzungen der Polizei nahmen rund 2500 Männer, Frauen und Kinder an dem Marsch teil, auch Rollstuhlfahrer waren dabei. Zuvor waren die Migranten tagelang in der ungarischen Hauptstadt an der Weiterfahrt per Zug Richtung Westeuropa gehindert wurden. «Wir sind so froh, dass endlich etwas passiert», sagte der 23-jährige Osama aus Syrien. «Der nächste Halt ist Österreich. Die Kinder sind sehr müde, Ungarn ist sehr schlecht, wir müssen irgendwo hin.»
Auch andernorts in Ungarn war die Lage angespannt. Im Erstaufnahmelager Röszke im Süden des Landes stiegen am Morgen nach Polizeiangaben rund 300 Flüchtlinge über einen Zaun und rannten in Richtung Autobahn.
Im Bahnhof von Bicske 40 Kilometer westlich von Budapest starb ein 51-jähriger pakistanischer Flüchtling. Er wurde am Freitag leblos nahe den Gleisen gefunden, wo zuvor rund 350 Flüchtlinge aus einem stillstehenden Zug entkommen waren. Die ungarischen Behörden hatten den Zug am Vortag zunächst Richtung österreichischer Grenze fahren lassen, dann jedoch in Bicske gestoppt.
«Krisenzustand durch Masseneinwanderung»
Das Parlament in Budapest verabschiedete mit grosser Mehrheit ein von der Regierung vorgelegtes Gesetzespaket. Dieses sieht unter anderem bis zu drei Jahre Haft für die Überwindung des Stacheldrahtzauns an der Grenze zu Serbien vor. Zudem wurde ein «Krisenzustand durch Masseneinwanderung» ausgerufen, was den Einsatz von Soldaten an den Grenzen ermöglicht.
Tschechien und die Slowakei schlugen die Einrichtung eines Korridors für syrische Flüchtlinge zwischen Ungarn und Deutschland vor. Die Aufnahme von Flüchtlingen nach Quoten lehnten beide Länder ab. Die EU-Kommission will die Verteilung von 120’000 Flüchtlingen regeln, die kürzlich in Italien, Ungarn und Griechenland eintrafen.
Nachdem das Bild des dreijährigen syrischen Jungen Ailan, der tot an einen türkischen Strand gespült worden war, in Grossbritannien tiefe Erschütterung ausgelöst hatte, kündigte Premierminister David Cameron am Freitag die Aufnahme «tausender» syrischer Flüchtlinge an. Sein Land werde aber nur Flüchtlinge aus UNO-Lagern in Syriens Nachbarstaaten aufnehmen und keine Syrer, die es schon nach Europa geschafft haben.