Ungefilterte Liftmusik

«Dessert» war gestern: Das Basler Grossprojekt «Weekend Session» serviert einen musikalischen Mehrgänger.

Die Drahtzieher der Weekend Session: Olivier Joliat und Luc Montini. (Bild: Matthias Willi)

«Dessert» war gestern: Das Basler Grossprojekt «Weekend Session» serviert einen musikalischen Mehrgänger.

Manche kreativen Experimente sprengen ganz einfach jeglichen vorgegebenen Rahmen. Bestes Beispiel dafür: die Basler Super-, pardon: Megagroup, die sich hinter dem schlichten Namen «Weekend Session» verbirgt. Einst von den Lokalmatadoren Olivier Joliat und Luc Montini als Antwort auf die «Desert Sessions» des durchgeknallten Masterminds Josh Homme gegründet, «einfach ohne Drogen, ohne Wüste und ohne vier Wochen Zeit» und drum träf als «Dessert Session» betitelt, rief der Erfolg der ersten Ausgabe nach einer Wiederholung. Also lud das so umgängliche wie umtriebige Initiantenduo Joliat (Drummer und Mister Congeniality der Basler Bandszene) und Montini (Tausendsassa an Knöpfen, Tasten und Reglern und damit Master of ­Ceremony) erneut zu vier Tagen kreativem Chaos ins «One Drop»-Studio. Das Ziel, «Inspiration nicht durch Denken kaputt zu machen», sondern das Studio selbst als Instrument zu nutzen und die darin ent­stehende, rohe Energie auf Platte zu bannen, blieb.

Kreative Experimente

Die Konstellation aber änderte sich: Stand die erste «Dessert Session» noch ganz im Zeichen des Rock, waren bei dieser zweiten «Weekend Session» ganze zwei Dutzend gestandene Basler Musiker aller Schattierungen am Start – von verdienten Rock­veteranen wie Dänu Siegrist, Baschi Hausmann und Emmi Lichtenhahn über Genre-­Spezialisten wie Jari Altermatt (Grunge), Jaro Milko (Gipsy) und Marco Nenniger (Jazz) bis hin zu den Elektronikexperten Thom Nagy, Dario Rosa und Emil Teiger. Dementsprechend riesig das resultierende Durcheinander: Beinahe rund um die Uhr wurde geprobt und aufgenommen, und während sich die elektronischen Tüftler im Kämmerlein verschanzten, mutierte der Studio-Gang zum Jam- und Proberaum, bis sogar der Lift zum ungefilterten Schauplatz kreativer Experimente wurde.

Feuchtfröhliches Treiben

Damit das ambitionierte Projekt nicht «grossartig scheiterte», mussten die beiden Organisatoren im feuchtfröhlichen Treiben nicht nur zum Takt-, sondern beinahe auch zum Rohrstock greifen: «Hätten wir nicht ein Machtwort gesprochen, wäre wohl gar niemand schlafen gegangen und wir wären statt mit Songs am Schluss nur mit unzähligen Skizzen dagestanden», lacht Joliat.

Spontaner Crossover-Spass

Umso grösser sei die Freude, dass aus dem ungezwungenen Basler Szenetreff nicht nur eine Kontaktbörse mit allerlei Anschlusskollaborationen, sondern auch ein «erstaunlich homogenes Album voller grossartiger Lieder» entstanden sei, wie das Leitungsduo sagt. «Es wird alles andere als eine abgezockt-abgebrühte Show geben», versprechen sie auch für die Livepremiere, die als «Best-of» beider Sessions genauso den Rahmen sprengen wird wie die neue Platte selbst. Denn in diesem Liebhaber-objekt (erhältlich etwa im Plattfon Basel) sind neben elf Tracks auf Vinyl gleich noch Downloadcodes für ein Dutzend weitere Songs enthalten. Dass hier Musikwelten aufeinanderprallen, ist dem Resultat deutlich anzuhören. Genauso wenig überrascht, dass bei einem solch spontanen Crossover-Spass nicht alle Gräben überbrückt werden können, nicht alle Geistesblitze zwingend wirken. Dennoch zeigen viele reizvolle, mutige Momente das Potenzial dieses Projekts auf – und machen somit Lust auf mehr.

Plattentaufe: Kaserne, Basel. Fr, 3. Februar, 21 Uhr.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.02.12

Nächster Artikel