Die Vorstellung der neuen libyschen Regierung hat die Gräben zwischen den zahlreichen Stämmen des Landes wieder aufgerissen. Vertreter der Awagi- und Maghariba-Clans demonstrierten am Mittwoch in Benghasi gegen die Übergangsregierung.
Eine Berber-Gruppe forderte zudem den Abbruch der Beziehungen zur Regierung. Von den grösseren Gruppen, insbesondere den Islamisten, kam zunächst kein Widerspruch zu dem am Dienstag vorgestellten Kabinett. Die Regierung des designierten Ministerpräsidenten Abdel Rahim al-Kib soll das Land nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi zur Demokratie führen.
Augenzeugen berichteten von etwa 150 Stammesangehörigen, die vor den Büros der Übergangsregierung in einem Hotel in Benghasi demonstrierten. Auf Transparenten stand „Nein zu einer Regierung von Fremden!“.
Die libysche Gesellschaft besteht aus einem Flickenteppich verschiedener Stämme und Clans. Bei der Auswahl der Minister scheint die neue Regierung die regionale Zugehörigkeit stärker bewertet zu haben als die Erfahrung.
So ging der Posten des Aussenministers nicht wie von ausländischen Diplomaten erwartet an den libyschen Vize-Botschafter bei der UNO, Ibrahim Dabbaschi, sondern an den wenig bekannten Aschur Bin Hajal. Der Diplomat stammt aus Derna, einer Hochburg des Aufstandes gegen Gaddafi.
Verfahren in Libyen
In Tripolis sprach sich der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Luis Moreno-Ocampo, für ein Verfahren gegen den Gaddafi-Sohn Saif al-Islam in Libyen aus. Es sei sehr wichtig für das Land, dass Saif al-Islam dort vor Gericht gestellt werde, sagte Moreno-Ocampo. Dieses Verfahren dürfe ihn aber nicht vor einer internationalen Strafverfolgung schützen.
Der Strafgerichtshof hat Saif al-Islam wegen des Verdachts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Fahndung ausgeschrieben. In Libyen droht ihm die Todesstrafe, vor dem IStGH lebenslange Haft. Saif al-Islam wurde vergangene Woche im Süden Libyens gefasst. Er soll auf der Flucht nach Niger gewesen sein.
Al-Senussi nicht gefasst
Vom IStGH gesucht wird auch der ehemalige Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi. Der Nationale Übergangsrat nahm Angaben wieder zurück, dieser sei ebenso gefasst worden. „Ich kann seine Festnahme weder dementieren noch bestätigen“, sagte der scheidende Justizminister vom Übergangsrat, Mohammed Allagi, in Tripolis.