Der im Juli 2015 zu Ende gegangene Prozess gegen 37 hochrangige Funktionäre des gestürzten Regimes von Muammar al-Gaddafi in Libyen war laut der UNO nicht fair. In einem am Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht prangert die UNO «gravierende» Verfahrensfehler an.
Von den Angeklagten vorgebrachte Foltervorwürfe seien nicht angemessen untersucht worden, schreiben das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte und die UNO-Mission für Libyen (UNSMIL). Sie verlangen eine unabhängige Untersuchung.
Weiter wird im Bericht bemängelt, dass den Anwälten wiederholt Zugang zu ihren Mandanten verweigert wurde und die Akteneinsicht ungenügend gewesen sei. Zudem seien mehrere Zeugen der Anklage nicht vernommen worden. Gemäss den Autoren hätte ein vollständiges Anklagedossier viel dazu beitragen können, die Umstände des blutig bekämpften Aufstands gegen Gaddafi im Jahr 2011 zu klären
Hinzu komme, dass das libysche Rechtssystem kein Rekursverfahren vorsehe, sondern lediglich eine Kassationsbeschwerde, die aber einen Fall nicht noch einmal von Grund auf überprüfe.
Neun Todesurteile
Den 37 Angeklagten wurden Verbrechen während des Aufstands gegen Gaddafi vorgeworfen. Neun von ihnen wurden zum Tode verurteilt, darunter der Gaddafi-Sohn Seif al-Islam, der frühere Regierungschef Baghdadi al-Mahmudi und der ehemalige Geheimdienstchef Abdullah Senussi. Der Prozess fand von März 2014 bis Ende Juli 2015 statt.
Das UNO-Hochkommissariat und die UNSMIL rufen im Bericht das Kassationsgericht dazu auf, die angeprangerten Verfahrensfehler in Betracht zu ziehen. Zudem sollten die libyschen Behörden Seif al-Islam erneut vor den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) stellen. Der ICC hatte sich vor dem Prozess in Tripolis vergeblich um eine Auslieferung des Gaddafi-Sohns bemüht.
Auf dem Höhepunkt der Revolte hatte der ICC Haftbefehl gegen ihn und Senussi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Anschliessend entbrannte ein Streit zwischen Tripolis und Den Haag darüber, vor welchem Gericht sich die beiden Männer verantworten sollten.
Seit dem mit Hilfe der NATO erfolgten Sturz Gaddafis ist Libyen in einen Bürgerkrieg geraten, in dem sich mittlerweile zwei rivalisierende Regierungen und Parlamente gegenüberstehen. Zudem kämpfen mehrere Milizen um Einfluss in dem nordafrikanischen Land.